VC-Magazin: Wie sieht Unternehmensfinanzierung heute in Mitteldeutschland aus?
Dr. Schmieder: Auch zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung merken wir, dass es kaum Unternehmerfamilien mit generationsübergreifender Tradition gibt. Das hat aus meiner persönlichen Sicht zur Folge, dass das Unternehmertum als Karriereoption nach dem Abschluss einer Ausbildung nicht so tief verankert ist, da es schlichtweg nicht erlernt wurde. Für die Finanzierung durch Eigenkapital bedeutet dies, dass die typischen Anfangshelfer, also die oft zitierten Family, Friends and Fools, als Starthilfe nicht vorhanden sind. Genau hier setzt Univations mit dem Investforum Sachsen-Anhalt an: Mit der Aufklärung über alternative Formen der Eigenkapitalfinanzierung und der Förderung eines positiv besetzten Gründer- und Unternehmerbildes.
VC-Magazin: Welche Finanzierungsart bevorzugen die Unternehmer?
Dr. Schmieder: Das Angebot an Finanzierungsmitteln ist mittlerweile recht gut ausgebaut, wobei der Bankkredit immer noch klar dominiert. Eine weitere große Rolle spielen nach wie vor Bürgschafts- und Förderbanken. Die Venture Capital-Szene in den drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist immer noch sehr stark geprägt durch die öffentlichen Fonds bzw. die Beteiligungsgesellschaften der Sparkassen und der Länder, wie die IBG in Sachsen-Anhalt, die bm-t in Thüringen oder die CFH in Sachsen. Es gibt kaum Venture Capital-Geber, die in Mitteldeutschland ihren Sitz haben, jedoch immer mehr Business Angels. Sachsen-Anhalt nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Neben einem sehr gut funktionierenden Business Angels-Netzwerk gibt es hier seit 2007 den Business Angels Fonds Sachsen-Anhalt. Eine große Rolle spielt seit einigen Jahren auch der High-Tech Gründerfonds, dessen Investments zu einer sehr bekannten und sehr beliebten Form der Seed-Finanzierung avanciert sind. Auch für Univations ist der HTGF einer der wichtigsten Partner, da er in der Anschlussfinanzierung über ein exzellentes Netzwerk verfügt.
VC-Magazin: Dann wünschen Sie sich also mehr institutionelle Investoren und Venture Capital-Gesellschaften in Mitteldeutschland?
Dr. Schmieder: Eindeutig ja. Leider gibt es immer noch eine gewisse Skepsis und Unkenntnis gegenüber anderen Finanzierungsformen als dem Bankkredit, also Möglichkeiten der Risiko- und Beteiligungsfinanzierung. Insbesondere Gründer setzen immer noch verstärkt auf Geschäftsmodelle, die auf Wachstum aus eigenem Umsatz und einer Finanzierung aus eigenen Mitteln aufbauen. Dieses grundsätzlich richtige unternehmerische Vorgehen ist jedoch bei technologieorientierten Gründungen oft nicht sinnvoll, da eine schnelle Marktreife und ein dynamischer Markteintritt über den Erfolg entscheiden. Da wir insbesondere auf diese Gründungen setzen, benötigen wir den Zugang zu Beteiligungskapital. Worüber ich mich deshalb besonders freue: Seit einigen Jahren kommen immer mehr strategische Investoren in die Region, u.a. Bosch Venture, BASF Ventures, DOW, Bayer und zahlreiche mittelständische Unternehmen aus ganz Deutschland.
VC-Magazin: Wie locken Sie institutionelle Investoren und Business Angels in die Region?
Dr. Schmieder: Beim Investforum treffen Unternehmensgründer aus Mitteldeutschland und Investoren aufeinander und lernen sich kennen. Wir haben das Investforum aufgesetzt, um mehr Business Angels und Venture Capital-Gesellschaften auf die Region und unsere innovativen Unternehmen aufmerksam zu machen. Zunehmend versuchen wir auch ausländische Investoren auf Innovations- und Gründungspotenziale der Region aufmerksam zu machen – hier in Halle haben wir mit dem Weinberg Campus beispielsweise den zweitgrößten Technologiepark in Ostdeutschland nach Berlin Adlershof. Hier gibt es zahlreiche Jungunternehmen mit viel Potenzial, aber die brauchen eben Zeit und Kapital für Wachstum.
VC-Magazin: Wie wollen Sie die Gründungsquote in Mitteldeutschland erhöhen?
Dr. Schmieder: Unser Fokus ist nicht unbedingt, die Gründungsquote zu erhöhen, sondern die Gründungen, die vorhanden sind, nachhaltig und wachstumsorientiert zu unterstützen. Hier sind wir auf sehr gutem Wege: In der Region gibt es Gründungen vor allem in den Oberzentren Dresden, Leipzig, Halle, Magdeburg und in Jena. Dies hängt vor allem mit der Einbindung in das Hochschulumfeld zusammen. In Halle und Jena gibt es nun zwei der zehn bundesgeförderten Gründerhochschulen in der Region. Hier werden Strategien entwickelt und umgesetzt, die vom Bund auch prämiert und anerkannt werden. Das ist ein Antrieb, noch massiver an dem Thema Gründerkultur und Ausgründungen aus Hochschulen zu arbeiten.
VC-Magazin: Welche Success Story ist Ihnen dabei in besonderer Erinnerung geblieben?
Dr. Schmieder: Da gibt es mehrere, z.B. Micropelt und SorTech aus dem Breisgau oder Nanoptics aus Hamburg. All diese Firmen haben ihren Standort bewusst hier gewählt. Gern erinnere ich mich an einen Unternehmer aus Belgien, um den wir fünf Jahre lang geworben und intensiv die Vorteile der Region erläutert haben. Mittlerweile hat er ThermHex Waben hier gegründet, produziert und hat Angestellte; auch privat hat er sich hier niedergelassen. In der Region lohnt es sich zu gründen, zu arbeiten und zu leben. Das müssen wir nur noch mehr herausstellen – auch bei Investoren.
VC-Magazin: Wo sehen Sie vor diesem Hintergrund die Region in zehn Jahren?
Dr. Schmieder: Ich bin davon überzeugt, dass sich die Region weiterhin dynamisch entwickeln wird und bis dahin einen gesunden Mittelstand hat. Die Entwicklungen in der Solarbranche haben uns leider gezeigt, dass es schwer ist, neue Industrien aufzubauen. Deshalb setzen wir auf innovative Gründungen und die Förderung von Wachstum, u.a. finanziert durch Beteiligungskapital. Dies ist ein weiteres Kernziel von Univations: Die Etablierung eines gesunden Mittelstandes für Mitteldeutschland.
VC-Magazin: Herr Dr. Schmieder, vielen Dank für das Gespräch!
Zum Gesprächspartner: Dr. Ulf-Marten Schmieder ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Univations GmbH, Institut für Wissens- und Technologietransfer an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (www.univations.de). Außerdem ist er Vorstandsmitglied beim weinberg campus e.V. in Halle (www.weinbergcampus.de).