Die Dinge sind im Fluss

Marktbeobachtungen

Die Zahl der Neugründungen wächst stetig. Dies gilt nicht nur für Start-ups, sondern auch für die verschiedenen Formen der Frühphaseninvestoren, wie z.B. Inkubatoren und Seedfonds. Phasenweise gingen in diesem Jahr gleich mehrere dieser Investoren pro Woche an den Start. Unterm Strich sind das gute Nachrichten für Start-ups. Daneben sehen wir mehr und mehr Gründer, die bereits Erfolg hatten und wieder in das Start-up-Ökosystem investieren. Dieses Geld ist häufig mit dem Vorteil verbunden, dass man ein Gegenüber hat, das die vielen Herausforderungen im Start-up aus eigener (Gründer-)Erfahrung kennt. Ferner ist es diese Investorengruppe, die häufig die besseren Vertragsbedingungen anbietet – ein weiterer Beleg dafür, dass ehemalige Gründer einfach näher dran sind als andere Investoren. Allerdings werden Gründer bei anderen, insbesondere institutionellen Investoren mehr Geld aufnehmen können.

Ausländische Investoren gehen in die Seed-Phase

Internationale Investoren haben 2012 ernst gemacht und nicht erst auf A-, B- oder C-Finanzierungsphasen gewartet, bevor sie in Deutschland investieren. Entweder allein oder mit lokalen Partnern als Koinvestoren haben internationale Frühphaseninvestoren erste Seed-Investments in Berliner Start-ups getätigt. Obwohl das Volumen dieser Deals vergleichsweise gering ist, ist dies die interessanteste Entwicklung der letzten Monate. Über größere Entfernung Seed-Investments zu machen, ist nicht gerade eine leichte Übung, da der Managementaufwand aufseiten der Investoren vergleichsweise hoch sein kann. Diese Entwicklung ist ein Beleg für den gestiegenen internationalen Stellenwert der Berliner Start-up-Szene.

Konzentration aufs Wesentliche

Während die Welt immer komplizierter wird, sind Verträge für Seed-Investments einfacher und schlanker geworden. Das bedeutet nicht, dass ein solcher Vertrag auf einen Bierdeckel passt. Es lässt sich aber schon eine deutliche Konzentration auf das Wesentliche nachvollziehen. Investoren wird es häufig darum gehen, das geistige Eigentum in der Gesellschaft gesichert zu wissen. Außerdem sollen die Gründer nicht ohne Weiteres davonlaufen. Schließlich soll eine gewisse Kontrolle über die Geschäftsführung und die Gesellschaft ausgeübt werden, die dem Investor an sich nicht zustände, wenn man seine in der Regel geringe Beteiligungsquote betrachtet.

Neue Runde, neue Verhandlungen

Bei den Verhandlungen, insbesondere in der Hitze des Gefechts, müssen sich alle Beteiligten vor Augen führen, dass all die Regelungen, die man sich zu diesem Zeitpunkt einfallen lässt, ohnehin obsolet sind, wenn die Gesellschaft es nicht bis zur nächsten Finanzierungsrunde schafft. Erreicht die Gesellschaft die nächste Runde, haben die bestehenden Regelungen meist nur eine Signalwirkung. Die Karten werden dann aber neu gemischt. Wenn man also diesen einen Schritt weiter denkt, lassen sich Konflikte bei der Verhandlung der aktuellen Runde häufig lösen, ohne dass jemand Schaden nimmt. Im Einzelnen regeln Beteiligungsverträge bei Seed-Investments folgende Punkte:

Vorerwerbs- und Mitveräußerungsrecht

Vorerwerbs- und Mitveräußerungsrecht sollten als Gesellschafterrechte und nicht als Sonderrecht für Investoren ausgestaltet sein. Vorerwerbsrecht bedeutet dabei, dass im Falle der Übertragung von Geschäftsanteilen durch einen Gesellschafter an einen Dritten jeder der übrigen Gesellschafter zum Vorerwerb zu den mit dem Dritterwerber vereinbarten Konditionen berechtigt ist. Das Mitveräußerungsrecht regelt, dass im gleichen Fall die übrigen Gesellschafter verlangen können, dass der oder die veräußerungswilligen Gesellschafter ihnen die Veräußerung ihrer Geschäftsanteile pro rata zu denselben Konditionen ermöglicht bzw. ermöglichen.

Schutzrechts- und Erfindungsklausel

Es ist sicherzustellen, dass sämtliche gewerblichen Schutzrechte, sonstiges Know-how oder dem Urheberrecht unterliegende Erzeugnisse, die im gegenwärtigen oder absehbar zukünftigen Geschäftsbereich der Gesellschaft liegen (Intellectual Property- oder IP-Rechte) oder Nutzungsrechte an den IP-Rechten uneingeschränkt der Gesellschaft zustehen. Gleiches gilt für entsprechende künftige IP-Rechte oder ist entsprechend sicherzustellen.

Garantien

Im Rahmen der Garantien wird häufig die persönliche Haftung für den Status quo verlangt. Hier gilt es, im Einzelfall entweder die persönliche Haftung ganz auszuschließen, was allerdings in der Regel nicht gelingt, oder sie der Höhe nach zu begrenzen. Ferner ist der inhaltliche Umfang der Garantien deutlich abgespeckt. Sie beschränken sich häufig auf Garantien bezüglich IP-Rechten und den rechtlichen Bestand der Geschäftsanteile der Gesellschaft.

Wettbewerbsverbot

Die Gründer werden einem Wettbewerbsverbot unterstellt, das ihnen verbietet, während der Dauer ihrer Beteiligung, Anstellung oder Organschaft bei der Gesellschaft eine andere Tätigkeit, insbesondere eine mit der Gesellschaft konkurrierende Tätigkeit, auszuüben. Sie stellen im Übrigen ihre Arbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft zur Verfügung.

Vesting

Das Vesting ist der zentrale Mechanismus für die Investoren, um sicherzustellen, dass die Gründer möglichst lange dabeibleiben und ihre volle Arbeitskraft für die Gesellschaft einsetzen. Vesting bedeutet dabei, dass die Gründer abhängig von dem Zeitpunkt ihres Ausscheidens einen Teil ihrer Anteile abgeben müssen. Bei der Länge dieses Zeitraums wird man sich als Untergrenze daran orientieren können, für welchen Zeitraum das Geld des Investors reicht. Als Obergrenze scheinen sich mittlerweile drei Jahre durchgesetzt zu haben.

Beispielfall: Vesting

Ein Beispiel: Die Parteien haben ein Vesting vereinbart, das 240 Anteile des Gründers umfasst und zwölf Monate läuft. Diese Anteile sollen auf Monatsbasis „vesten“, d.h., für jeden Monat, den der Gründer seine volle Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung stellt, darf er ein Zwölftel seiner Anteile, also 20 Anteile pro Monat, behalten. Scheidet er nun nach sechs Monaten aus, muss er 120 Anteile abgeben. Scheidet er nach zwölf oder mehr Monaten aus, muss er keine Anteile abgeben.

Corporate Governance

Gründer und Investoren stimmen einvernehmlich Planzahlen, Planbilanz, Grobplanung von Umsatz und Kosten usw. („Unternehmensplanung“) ab. Davon abweichende wesentliche Maßnahmen der Geschäftsführung unterliegen dem Zustimmungsvorbehalt der Investoren, wobei in das Tagesgeschäft nicht eingegriffen werden soll. Bei mehreren Investoren entscheiden diese mit einfacher Mehrheit bezogen auf ihre Beteiligung am stimmberechtigten Stammkapital der Gesellschaft.

Was nicht (mehr) in den Vertrag gehört

Wie bereits beschrieben, findet sich nicht mehr jede Klausel in aktuellen Seed-Investment-Vertragswerken. Auf Folgendes sind Investoren bei Seed-Investments mehr und mehr bereit zu verzichten: einseitige Verfügungsbeschränkungen der Gründer (z.B. Lock-up), Verkaufspflicht (Drag Along), Erlösvorzug und Verwässerungsschutz.

Fazit:

Die Rahmenbedingungen für Seed-Investments, nicht nur in Berlin, haben sich in letzter Zeit deutlich verbessert, aber all dies soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es (fast) immer auch eine A-Runde geben muss – dann meistens auch mit neuen Verträgen!

Christian Musfledt, Rechtsanwalt, Kanzlei Osborne ClarkeNicolas Gabrysch, Rechstanwalt, Kanzlei Osborne Clarke

 

 

 

 

Zu den Autoren

Nicolas Gabrysch und Christian Musfeldt sind Rechtsanwälte bei Osborne Clarke in Köln und Berlin und begleiten Venture Capital-Finanzierungen für Investoren und Unternehmen sowie nationale und internationale M&A-Projekte.