VC Magazin: Wie beurteilen Sie die derzeitige Finanzierungssituation des Mittelstandes? Welche Konsequenzen für die Kreditvergabe der Banken erwarten Sie durch die verschärften Regularien von Basel III?
Faltermeier: Eins vorab: Für Mittelständische Unternehmen sehe ich keine Kreditklemme. Eine Kreditklemme kann nur entstehen, wenn Banken nicht die ausreichende Eigenkapitalunterlegung aufweisen oder nicht über ausreichend Liquidität verfügen. Beides trifft für die bayerischen Sparkassen nicht zu. Wir sind auf weite Sicht in der Lage, den Kreditbedarf der mittelständischen Unternehmen zu decken. Hinsichtlich Basel III möchte ich betonen, dass wir uns aktuell noch immer in der Entstehungs- und noch nicht in der Umsetzungsphase befinden, da es noch Änderungsbedarf gibt. Eigenkapitalunterlegungspflichten werden reduziert, auch die Mittelstandsdefinition wird sich noch ändern, d.h. die Grenze für die Unternehmen, für die Erleichterungen gelten, wird noch angepasst. Wir haben in einer Studie über 400.000 Unternehmen befragt, um zu beweisen, dass keine zukünftigen Risiken im Mittelstand entstanden sind und somit auch nicht zu unterlegen sind.
VC-Magazin: Die Sparkassen pflegen grundsätzlich eine sehr enge Beziehung zu ihren Geschäftskunden. Welches sind in Ihren Augen aktuell die größten Sorgen der mittelständischen Unternehmen?
Faltermeier: Ich möchte anders herum antworten, weil die Chancen die Sorgen in meinen Augen klar überwiegen. Die Welt schaut heute mit Bewunderung auf Deutschland, weil wir einen funktionierenden Mittelstand haben – mit hervorragend ausgebildeten Fachkräften und inhabergeführten Unternehmen, in denen schnelle und konsequente Entscheidungen getroffen werden. Der Mittelstand repräsentiert die Stärken Deutschlands und er ist aktuell gut aufgestellt, denn zur florierenden Realwirtschaft gibt es einen finanzwirtschaftlichen Counterpart, der den Mittelständler versteht und das sind dezentralisierte Institutsgruppen, die regional vor Ort unterstützen und eine langjährige persönliche Vertrauensbasis mit dem Unternehmer besitzen.
VC-Magazin: Und die Sorgen…?
Faltermeier: … sind Risiken, die nur Unternehmen einer starken Volkswirtschaft drohen. Wer wie Deutschland viel exportiert muss Exportporteinbrüche als ein Risiko definieren. Wichtig ist deshalb, dass es sowohl unseren europäischen Nachbarn als auch den Emerging-Markets gut geht, damit sie auch zukünftig unsere Produkte kaufen können. Ein weiteres Problem ist der Facharbeitermangel, der im internationalen Vergleich aber sicher ein Luxusproblem ist. Auch die Labilität der Finanzmärkte, schwankende Zinsen und drohende Währungsrisiken können für ein export-orientiertes Land natürlich ein Problem darstellen.
Stockner: Natürlich ist es eine Sorge, dass die Staatsschuldenkrise zu einem massiven Einbruch auf der Absatzseite führen kann. Viele Unternehmer haben zudem Sorgen, dass sie qualifiziertes Fachpersonal, das sie zur Herstellung der hochwertigen Produkte benötigen, am Arbeitsmarkt nicht rekrutieren können. Aber es gibt auch Lösungen: viele Unternehmer rekrutieren ihre Fachkräfte schon heute im europäischen Ausland. Insgesamt sehe auch ich die Chancen klar überwiegen.
VC-Magazin: Wie grenzt sich die Sparkassen-Gruppe beim Thema Mittelstandfinanzierung von den großen Geschäftsbanken ab? Wie sehen Sie z.B. die öffentlich avisierte Mittelstandsoffensive der Deutschen Bank?
Faltermeier: Konkurrenz belebt das Geschäft und ist der beste Verbraucherschutz. Die Aufgabe der Sparkasse ist es, den Wettbewerb überall, insbesondere in der Region zu fördern. Ich bin jetzt 28 Jahre im operativen Geschäft bei der Sparkasse und ich habe viele Mittelstandsoffensiven von Großbanken miterlebt. Sobald es in der Welt schwierig wird, das leichte Geld zu verdienen, kommt es zur Wiederentdeckung des Mittelstands, des realen Geschäfts. Und genau das mag der Mittelständler nicht: wieder entdeckt zu werden, wenn man Geld an ihm verdienen kann. Sparkassen gibt es seit 200 Jahren. Sie decken langfristig und haben langfristige Verantwortung. Der Mittelständler denkt genauso. Unternehmen in der dritten, vierten oder fünften Generation müssen nachhaltig Gewinn machen, um das Unternehmen weiter führen zu können. Diese Unternehmen brauchen finanzielle Berater, die sie verstehen und die sie langfristig begleiten.
VC-Magazin: Auch in der Beteiligungsszene wird der Wettbewerb stärker, weil immer mehr, teils auch ausländische, Investoren den deutschen Mittelstand adressieren. Nehmen Sie eine verstärkte Konkurrenz war?
Stockner: Wir nehmen neue Adressen wahr, beobachten aber im Falle von ausländischen Investoren, dass sie beim kleineren Mittelstand nicht besonders beliebt sind. Mit dem Sparkassen-S oder als bayerische Gesellschaft aus München genießen wir einen Vorteil, den man uns auch so kommuniziert.
Faltermeier: Der deutsche Mittelstand besteht aus Unternehmen, die durch die Person des Unternehmers geprägt werden. Deshalb tut sich dieser von Natur aus schwer, einen anderen Mitunternehmer an Bord zu haben. Sein Erfolgskonzept ist Herr im Haus zu sein und seine Entscheidungen durchzuziehen. Im Falle eines Gesellschafters aus der Investorenszene ist dessen Denkweise und Geschäftsphilosophie wichtig. Denkt er angelsächsisch oder deutsch? Wie weit ist er physisch und mental vom Unternehmen entfernt?
VC-Magazin: Welche Haltung seitens des Mittelstands beobachten Sie gegenüber Private Equity?
Stockner: Lange gab es große Scheu davor, einen Beteiligungspartner in sein Unternehmen zu holen. Aber ich glaube, dass diese Scheu über die Jahre abgenommen hat. Private Equity ist inzwischen auch im deutschen Mittelstand ein wichtiger Finanzierungsbaustein.
VC-Magazin: Wie wichtig ist es gerade für größere Mittelständler, den Finanzierungsmix breit aufzustellen und Alternativen wie z.B. Private Equity aufgeschlossen gegenüber zu stehen?
Stockner: Der deutsche Mittelstand ist stark gewachsen und deshalb sind auch die Eigenkapitalquoten im internationalen Vergleich eher schwach. Dadurch ist Private Equity zu einem zentralen Finanzierungsinstrument für den Mittelstand geworden, der im Finanzierungsmix eine immer größere Rolle einnimmt.
Faltermeier: Der Mix ist das Entscheidende. Es ist wichtig eine differenzierte Finanzierung zu haben, einen Mix aus Eigenkapital und Fremdkapital, aus kurzfristig-abrufbarem Kontokorrentkredit sowie langfristigen Finanzierungsformen. Auch Leasing, Factoring oder Mezzanine zähle ich dazu. Die richtige Unternehmensfinanzierung zu kreieren ist eine anspruchsvolle Aufgabe, weil auch der Mittelstand anspruchsvoll ist.
VC-Magazin: Welcher Typus von Unternehmer sollte Ihrer Meinung nach über Private Equity nachdenken, und welcher nicht?
Stockner: Der Unternehmer, der sich abschottet und alleine bestimmen will, ist für eine Beteiligungsfinanzierung nicht geeignet. Geeignet ist ein Unternehmer der sagt: „Ich bleibe Herr im Haus, aber es gibt jemanden der mich unternehmerisch begleitet, auch bei wichtigen Entscheidungen.“, weil er partnerschaftlich denkt und handelt.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Zu den Gesprächspartnern:
Prof. Rudolf Faltermeier ist Vizepräsident des Sparkassenverbands Bayern und Vorsitzender des Aufsichtsrates der S-Partner Kapital AG. Dr. Werner Stockner ist Vorstand der S-Partner Kapital AG.
Das Interview führten Mathias Renz und Simona Schamper.