VC Magazin: Die Besteuerung von Streubesitzanteilen hält Business Angels seit Wochen in Atem. Jetzt muss voraussichtlich der Vermittlungsausschuss über die Neuregelung entscheiden. Wie bewerten Sie den vorliegenden Kompromissvorschlag?
Kirchhof: Entgegen früheren Informationen ist Basis der Beratungen nicht die Empfehlung des Bundesrats zum Jahressteuergesetz 2013, sondern der Gesetzentwurf zur Umsetzung des EuGH-Urteils der Koalitionsfraktionen, der vom Bundestag bereits beschlossen ist. Hierzu hat der Bundesrat am 14.12.2012 die Zustimmung versagt. Es ist jetzt fest damit zu rechnen, dass entweder die Bundesregierung oder der Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Ansonsten bliebe es bei der jetzigen Rechtslage. Aus der Begründung der Empfehlung des Finanzausschusses des Bundesrates, der den Bundesratsbeschluss vorberaten hat, lassen sich aber bereits jetzt Kompromisslinien erkennen. Zwar wird darin an der ursprünglichen Linie der umfänglichen Besteuerung der Streubesitzanteile zunächst festgehalten. Quasi hilfsweise erwägt die Begründung jedoch, das vom Bundestag beschlossene Gesetz in Details zu ändern. So dürfe es nur für die Vergangenheit gelten (die vorgesehene Rückwirkung entfiele also) und die Erstattung von Kapitalertragsteuer müsse entsprechend der Rechtlage im Inland auf 95% beschränkt werden. Wir verstehen dies so, dass von einer Belastung der Veräußerungsgewinne, die nicht über die Kapitalertragsteuer erfasst werden, wohl Abstand genommen werden wird. Das entspricht der Hauptforderung der verschiedenen Eingaben von BAND. Bei Dividenden wird wohl auch die Rückwirkung entfallen. Im Übrigen muss man sehen, was der Vermittlungsausschuss bringt.
VC Magazin: Auf welche Resonanz treffen Sie als Vertreter der Belange deutsche Business Angels in Berlin? Wie offen ist die Politik für die Interessen junger Unternehmer und ihrer Investoren?
Kirchhof: Das Verständnis für die volkswirtschaftliche Bedeutung von Gründerfinanzierungen durch Business Angels hat sich in den letzten Jahren in der Politik deutlich verbessert. Der Investitionszuschuss ist letztlich die politische Umsetzung der Ergebnisse des von der Bundeskanzlerin angestoßenen 2. Innovationsdialogs zur Finanzierung innovativer Gründungen. In der vorbereitenden Arbeitsgruppe dazu hatte auch BAND mitwirken können. Sowohl Angela Merkel als auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler haben auf dem IT-Gipfel in Essen gesagt, sie seien bemüht, nachteilige Auswirkungen auf die Gründerfinanzierung durch die Streubesitzanteilsbesteuerung zu vermeiden. Ähnlich klingen Antworten aus den Ländern zu unseren Eingaben, so z.B. durch die Staatssekretärin beim Regierenden Bürgermeister von Berlin, Hella Dunger-Löper, und den thüringischen Wirtschaftsminister Matthias Machnig.
VC Magazin: Was erwarten Sie vom von der Bundesregierung angekündigten Investitionszuschuss für Business Angels?
Kirchhof: Der Investitionszuschuss wird zugunsten einer besseren Finanzausstattung der Gründer die Beteiligungspower jedes Business Angels um 20% erhöhen. Gut daran ist, dass er auf die breite Masse der Business Angels zielt, da er bereits ab 10.000 Euro Investitionssumme gewährt wird. Wir erhoffen uns daher auch, dass er für viele geeignete und unternehmerisch erfahrene Privatpersonen Anreiz sein wird, sich selbst als Business Angel auszuprobieren. BAND wird daher gemeinsam mit den Netzwerken in ganz Deutschland Informationsveranstaltungen durchführen. Gleichzeitig müssen die neuen Angels sich „ready for Investment“ machen, also das dazulernen, was ihnen vielleicht noch an Kenntnissen im Beteiligungsgeschäft fehlt. Der „Leitfaden für Business Angels“ kommt daher genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt.
VC Magazin: Welche Schritte hat Berlin seit der Ankündigung des Investitionszuschusses im Sommer unternommen?
Kirchhof: Das Wichtigste war sicher, 150 Mio. EUR für diesen Zweck in der mittelfristigen Finanzplanung, davon 30 Mio. EUR im Haushalt 2013, sicherzustellen. Außerdem mussten die genauen Konditionen für diesen Zuschuss formuliert werden, wozu BAND angehört worden ist. Im Moment läuft unseres Wissens noch das beihilferechtliche Genehmigungsverfahren bei der EU. Trotz der schlechten Erfahrungen, die wir hier mit dem früheren Gesetzes zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen MoRaKG gemacht haben – die EU erteilte die Genehmigung nur unter für Angels nicht zumutbaren bürokratischen Auflagen – gibt es für mich dieses Mal wenig Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit.
VC Magazin: Welche Wünsche hat BAND in Vertretung für die deutsche Business Angels Community für das Wahljahr 2013?
Kirchhof: Wir erwarten, dass sich alle relevanten Parteien in ihren Wahlprogrammen zur großen Bedeutung der Finanzierung innovativer Gründungen für die Zukunft unserer Wirtschaftskraft bekennen. Wäre dies, wie etwa in Großbritannien, unisono der Fall, so würde es auch gelingen, die richtigen Instrumente zu wählen, um einen Rahmen für eine nachhaltige Förderung der Gründungfinanzierung zu zimmern. Der Investitionszuschuss ist dafür die erste Leiste, die nächste müsste die Verlustnutzung bei Folgefinanzierungen sein, weil dies für die Gründer und alle Investoren von höchster Relevanz ist. Das Schlimmste an der Vergangenheit war jedoch die geringe Verlässlichkeit von bestehenden Regelungen, die im Gegenteil zulasten der Investitionsfreude von Business Angels seit 1998 fünfmal verschlechtert wurden. Damit muss endlich Schluss sein.
VC Magazin: Danke für das Interview!
Zum Gesprächspartner:
Dr. Roland Kirchhof ist Vorstand des Business Angels Netzwerk Deutschland (BAND).