VC: Wie ist die Idee für Fundsters entstanden?
Heikaus: Fundsters wurde im Sommer 2012 von Markus Brütsch, unserem heutigen CEO mit drei weiteren Gesellschaftern gegründet. Das Konzept entstand aus Gesprächen mit Professor Andreas Pinkwart, Rektor der Handelshochschule Leipzig (HHL), der für die Hochschule einen Seed-Fonds zur Unterstützung von HHL-Gründungen suchte. Die Idee war, ein Modell zu entwickeln, bei dem die Kosten für Fondsmanager und Verwaltung wegfallen. Anleger sollten selber entscheiden können, in welche Start-ups sie investieren und trotzdem die professionellen Rahmenbedingungen eines regulierten und sicheren Investments geboten bekommen. Allerdings ohne Verwaltungskosten und den üblichen Gang zum Berater. Rund ein Jahr später erhielten wir dann unsere BaFin-Genehmigung für das Beteiligungsmodell.
VC: Fundsters wirbt damit, der einzige Anbieter von Fundings und Investments über 100.000 EUR zu sein. In letzter Zeit vergeben aber auch andere Plattformen mehr Geld.
Heikaus: Diese Modelle emittieren Genussrechte oder partiarische Darlehen – per se zunächst Fremdkapital – und geben diesen über Nachrangabreden einen mezzaninen, sprich eigenkapitalnahen, Rang. Im Rahmen der Bonitätsanalyse schränkt das die Möglichkeiten eines Start-ups tatsächlich jedoch ein. Aus unserer Sicht ist es unnötig, solche Schlupflöcher durch die Überwachung der BaFin zu nutzen. Durch unser Modell können die Start-ups alle Vorteile des Feedbacks der Unterstützer jederzeit nutzen, allerdings ohne die blockierende Verwaltung Hunderter Einzelbeteiligungsverträge.
VC: Werden Sie sich auf bestimmte Branchen konzentrieren?
Heikaus: Wir glauben, dass Crowdfunding und Crowdinvesting das Potenzial haben, jede Art von Projekt oder Idee bei entsprechend großem Interesse realisieren zu können. Insofern will Fundsters sich nicht auf Branchen oder Kategorien beschränken, sondern vielmehr einen universellen Mechanismus anbieten, der sicher, professionell, aber auch zeitgemäß unterschiedlichste Projekte und Geschäftsideen finanzieren kann. Die Projekte in unserer Pipeline bewegen sich in Funding-Bereichen von 50.000 bis 500.000 EUR, nicht in Sphären von 2 bis 5 Mio. EUR – obwohl das rechtlich möglich wäre. Wir würden uns damit am Anfang übernehmen, auch wenn wir auf einen umfangreichen Pool an Ankerinvestoren blicken. Außerdem haben wir einige Kooperationen in Vorbereitung, eine erste gibt es bereits mit der HHL.
VC: Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Ziele aus?
Heikaus: Wir peilen für das Kalenderjahr 2013 an, durchschnittlich zehn Projekte im Monat anzubieten, davon zwei bis drei als Investition, den Rest auf Basis von Gegenleistungen, wie Produkten, Rabatten o.Ä. Langfristig können wir die Entwicklung schwer einschätzen. Die Vorbilder sind aber ganz klar Kickstarter und Indiegogo aus den USA, die in diesem Markt vom Volumen her die beherrschenden Kräfte sind – im Jahr 2011 wurden knapp 1 Mrd. USD gefundet. Was auffällt, ist, dass es sich dabei nur um Spenden handelt, nicht um Beteiligungen. Wir haben die Vision einer universellen Plattform, über die beispielsweise auch Stiftungen u.Ä. unterstützt werden können. Bestes Beispiel ist hier eBay: Es gibt ja auch kein eBay für Werkzeug, eines für Kleidung, eines für Spielzeug, sondern alle Produkte werden auf einer Plattform versteigert. In diese Richtung wollen wir uns mit Fundsters auch entwickeln. Wir möchten durch viele Projekte die User dazu bringen, zu „stöbern“ – ähnlich wie beispielsweise auf Amazon. Auch wenn natürlich investieren und kaufen zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind.
VC: Wie funktioniert das Beteiligungsmodell genau?
Heikaus: Das Prinzip ist ziemlich einfach: Es gibt die Fundsters AG als Betreiber der Website. Unternehmen können dort jederzeit anfangen, Kampagnen anzulegen und zu optimieren. Wenn die Präsentation der Unternehmen weit genug ausgereift ist, um freigeschaltet zu werden, beteiligt sich die Fundsters Venture Capital GmbH nachrangig als atypisch stille Beteiligte zu den gewünschten Konditionen am Unternehmen unter der aufschiebenden Bedingung, dass in entsprechender Höhe Kapital von Investoren zur Finanzierung unserer Beteiligung bereitgestellt wird. Erst dann wird der Beteiligungsvertrag wirksam. Dadurch müssen die Unternehmen bei Investitionen größer 100.000 EUR keinen BaFin-genehmigten Prospekt aufstellen. Das öffentliche Angebot an die Investoren zur Finanzierung der Beteiligung erfolgt dann durch die Funsters Venture Capital GmbH im Rahmen unseres BaFin-genehmigten Prospekts. Steuerlich haben die Investoren den Vorteil, dass sie an Gewinnen und an Wertsteigerungen des Unternehmens teilnehmen und diese Ausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit moderaten 25% Abgeltungssteuer abgegolten werden.
VC: Welchen Vorteil haben die Unternehmen?
Heikaus: Viele Start-ups scheuen es, Hunderte Beteiligungsverträge zu verwalten. Bei uns gibt es nur einen Beteiligungsvertrag, der für mindestens fünf Jahre das Kapital zusichert. Wir stellen den Investoren dann über die Plattform standardisiert ein Reporting der Unternehmen zur Verfügung. Die direkte Kommunikation mit den Beteiligten bleibt aber dennoch über die Funsters-Plattform jederzeit möglich, und zwar über die gesamt Dauer des Investments. Das ist wichtig, um die positiven Multiplikator- und Marketing-Effekte des Crowdfundings optimal zu nutzen
VC: Wie finanziert sich Fundsters?
Heikaus: Wir erhalten von den Unternehmen je nach Summe und Aufwand bis zu 9% für die Abwicklung der Kampagne auf Fundsters. Diese Gebühr wird nur fällig, wenn das Funding erfolgreich ist. Die Investoren kostet die Teilnahme an der Finanzierung zunächst nichts. Es werden auch keine jährlichen Verwaltungsgebühren berechnet. Die Fundsters Venture Capital GmbH verdient nur, wenn es Rückflüsse gibt, die das eingesetzte Kapital der Investoren übersteigen. Für unsere Leistungen bekommen wir dann 10% des Erfolgs ab. Das heißt, zuerst wird die Einlage zu 100% zurückbezahlt, darüber hinausgehende Ausschüttungen gehen zu 90% an die Investoren. So werden die Beteiligungen nicht unnötig mit Verwaltungs- oder Depotgebühren belastet. Bei den spendenbasierten Projekten berechnen wir den Unterstützten je nach Aufwand bis zu 4%.
VC: Welchen Betrag müssen Investoren mindestens aufbringen?
Heikaus: Da alles automatisiert abläuft, können wir Investitionen ab 1 EUR zulassen, es gibt also keine Mindestgrenze. Wir bieten – dank der Zusammenarbeit mit der Fidor Bank – außerdem die Möglichkeit, alles elektronisch abzuwickeln. Man muss nichts ausdrucken, unterschreiben oder versenden. Die Fidor Bank darf dieses Verfahren bis 14.999 EUR so anwenden. Natürlich gibt es das im Internet übliche 14-tägige Widerrufsrecht.
VC: Lohnen sich Investments von 1 EUR überhaupt?
Heikaus: Sicherlich lohnen sich die 1-EUR-Investments in Unternehmensbeteiligungen rein materiell nicht, aber auch viele kleine Investments tragen zum Erreichen des Ziels bei. Werden aber z.B. schon 100 EUR investiert und das Start-up entwickelt sich erfolgreich, finanziert der Gewinn schnell einen schönen Urlaub. Wir haben auch deshalb bewusst auf eine Untergrenze verzichtet, da wir nicht nur Unternehmen über die Plattform finanzieren möchten, sondern auch soziale und künstlerische Projekte, und gerade hier ist es wichtig, jedem die Chance zu geben sich zu beteiligen.
VC: Wie wird sich der Crowdfunding-Markt in den nächsten Jahren verändern?
Heikaus: Die beiden großen US-Player haben ganz offensichtlich ein großes Interesse, den kontinentaleuropäischen Markt zu erschließen. Wir gehen davon aus, dass Kickstarter und Indiegogo 2013/2014 versuchen werden, offensiv in den deutschen Markt einzutreten. Allerdings werden diesen Plattformen wohl eher aufgrund der komplexen Regulierung in Deutschland zunächst keine Investmentmöglichkeiten anbieten, sondern nur spendenbasiertes Crowdfunding. Bis dahin wollen wir eine Art Gegengewicht aufgebaut haben. Anfangs natürlich nur in Deutschland, aber wir sind grundsätzlich nicht darauf beschränkt und können uns eine Expansion durchaus vorstellen. Selbstverständlich müssen hierfür die nationalen Bestimmungen im Vorfeld intensiv geprüft werden.
VC: Crowdfunding und -investing erleben momentan einen absoluten Boom. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein?
Heikaus: Wir beobachten diesen Hype auch und stehen ihm etwas zwiegespalten gegenüber. Auf der einen Seite ist es schön zu sehen, dass sich junge Unternehmen über das Internet teilweise sehr einfach und schnell die benötigte Liquidität besorgen können und das Crowdfunding einen immer höheren Stellenwert in der öffentlichen Wahrnehmung bekommt. Auf der anderen Seite ist die Geschwindigkeit, mit der einige Fundings ablaufen, schon beängstigend. Ich glaube nicht, dass man sich in unter einer Stunde intensiv mit dem Businessplan eines Unternehmens auseinandersetzen kann und sehe hier einige Parallelen zur Entwicklung des Neuen Marktes um das Jahr 2000 herum. Man zeichnete quasi blind Aktien von neuen Unternehmen in der Hoffnung auf schnelle Kursgewinne. Den Investoren muss allerdings klar sein, dass sie auf Jahre an die Unternehmen gebunden sind und ihre Anteile nicht wie Aktien am nächsten Tag wieder verkaufen können. Wenn dann die ersten Ausfälle kommen, wird sich der eine oder andere wünschen, seine 500 oder 1.000 EUR nicht leichtfertig investiert zu haben.
Zum Gesprächspartner
Matthias Heikaus ist Business Developer bei der Fundsters AG. Der gelernte Bankkaufmann war während seiner 17 Jahre bei der Dresdner Bank unter anderem in den Bereichen Wertpapiere und Börse tätig. Seit 2007 arbeitete er für verschiedene Emissionshäuser im Vertrieb, zuletzt als Vertriebsleiter bei der Gebab.
Mathias Renz, Benjamin Heimlich