Warten auf den Aufbruch

Finanzierungslücke für Jungunternehmen

Diese Entwicklung hat auch die österreichische Bundesregierung erkannt und versucht nun mit einem Gründerfonds, der ein Gesamtvolumen Dr. Karim Tagavon 65 Mio. EUR hat, gegen die Unterfinanzierung von Start-ups vorzugehen. „Das Engagement der öffentlichen Hand, wie beispielsweise der Finanzierungsgarantie-Gesellschaft (FgG), ist ganz entscheidend für Investitionen durch Venture Capitalisten, da diese Organe auch in den einzelnen Finanzierungsrunden die letzten Lücken schließen und diese somit erst ermöglichen“, erklärt Dr. Karim Taga, Partner und Managing Partner Austria beim Beratungsunternehmen Arthur D. Little. Besonders der Rückzug der Banken mache den österreichischen Venture Capital-Gesellschaften zu schaffen. „Das Problem ist sicherlich die österreichische Mentalität, die sich am treffendsten als ‚konservativ‘ beschreiben lässt. Die meisten Österreicher haben ihre Ersparnisse auf einem Sparbuch bei der Bank. Infolge der Finanzkrise haben sich – wie eigentlich überall in Europa – die Banken aus dem Venture-Geschäft zurückgezogen. Diese Lücke lässt sich allein durch private Investoren jedoch nicht schließen“, beschreibt Taga das Hauptproblem der Branche. Die Nachfrage nach frühphasigem Kapital ist dabei ungebrochen hoch. Auch deshalb wird der 45 Mio. EUR umfassende Business Angel Fonds, ein zweiter Fonds der Regierung, als durchaus positiv bewertet. „Im letzten Jahr haben wir sehr wenige Closings neuer Fonds gesehen – eine der wenigen Gesellschaften war Pontis mit dem PGC II-Fonds. Daher erwarte ich, dass der Markt stabil bei seinem aktuellen Volumen bleibt, allerdings wird auch 2013 der Investitionsfokus eher im Later Stage-Bereich liegen“, ist sich Taga sicher.

Aufkeimendes Interesse

Birgit SchmolmüllerEin zunehmendes Interesse privater Investoren an der Anlageklasse Private Equity beobachtet Birgit Schmolmüller, Vertriebsdirektorin Österreich beim Emissionshaus RWB: „Private Equity hat aktuell noch stark mit seinem geringen Bekanntheitsgrad zu kämpfen. Der Stellenwert von Private Equity für die österreichische Wirtschaft steigt jedoch kontinuierlich an, gleichzeitig beobachten wir auch, dass die Vorbehalte sich relativ schnell durch Aufklärungsarbeit beseitigen lassen.“ Diese Entwicklung lasse zum einen hoffen, sei zum anderen aber auch zwingend notwendig. Denn im Jahr 2011 stellten Banken gerade einmal 23% des eingesammelten Kapitals für Private Equity-Fonds, Versicherungen beteiligten sich überhaupt nicht. Zum Vergleich: In den Jahren vor der Krise kamen etwa 80% des Kapitals am österreichischen Beteiligungsmarkt von diesen beiden Investorengruppen. „Seit 2010 erkennen wir einen Aufwärtstrend, der in den vergangenen zwei Jahren deutlich an Fahrt gewonnen hat. Die Branche wird auch in den nächsten Jahren einen verstärkten Zulauf erfahren, einfach aufgrund der Tatsache, dass andere Produkte wie beispielsweise Lebensversicherungen – von denen jeder Österreicher im Schnitt 2,5 besitzt – schlecht performen und die Leute hier viel Geld verlieren“, begründet Schmolmüller ihre Zuversicht.

Hotspot Wien

Gerade für Gründer kann Österreich – im Speziellen Wien – mit einer Vielzahl an Vorteilen aufwarten. „Räumlich bietet Wien sehr viele Dirk van Quaquebekeinteressante Aspekte sowohl für Gründer als auch für Investoren. Die Nähe zu Bratislava, Budapest, Bukarest oder Sofia macht die Stadt zum Brückenkopf in den Osten Europas. Das ist eine große Chance, denn man hat relativ günstigen Zugang zu Development Talent, das in Städten wie Berlin oder London extrem teuer geworden ist“, erklärt Dirk van Quaquebeke, Mitgründer und Managing Partner bei Alps Ventures sowie Gründer des Clusterhauses in Wien und Köln. Daneben macht die Stadt an der Donau gezielt auf sich als Gründerzentrum aufmerksam: Das Pioneers Festival lockte im Oktober 2.500 Gründer und Investoren nach Wien. „Die Städte, die in Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen eine hohe Lebensqualität bieten. Wien hat hier meines Erachtens sehr gute Karten“, lobt van Quaquebeke Österreichs Hauptstadt und führt weiter aus: „Wir beobachten hier eine sehr aktive Business Angels-Szene, außerdem ist ein Start-up-Fonds aufgeschlagen, der viel tut. Ein Steckenpferd, wie es beispielsweise Helsinki mit dem Gaming-Bereich oder Berlin mit dem E-Commerce hat, fehlt Wien aktuell noch, allerdings sehen wir einen sehr aktiven Mobile-Bereich in der Stadt.“

Attraktiver Mid Cap-Markt

Armin ProkschaEin weiterer Vorteil Österreichs sind die vergleichsweise niedrigen Unternehmensbewertungen. Investoren bietet sich hier die Möglichkeit, sich günstig an einem nationalen Marktführer zu beteiligen. „In Österreich kann man als Investor zu niedrigeren Preisen in ein etabliertes Geschäftsmodell einsteigen als bei einem vergleichbaren deutschen Unternehmen. Außerdem ist für österreichische Unternehmer der Übertritt in den osteuropäischen Markt sehr viel selbstverständlicher als für andere“, beschreibt Armin Prokscha, Geschäftsführer RWB PrivateCapital, den österreichischen Markt. Aufgrund seiner Historie und seines vergleichsweise kleinen Heimatmarktes werde Österreich damit für Firmen zu einer Art Sprungbrett in den Osten – auch wenn die Bereitschaft, sich Private Equity-Investoren an Bord zu holen, bei vielen mittelständischen Unternehmern in der Alpenrepublik noch eher gering sei. „Auch wenn die Zahl der Unternehmer, die in diese Anlageklasse investiert, in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, stehen viele Private Equity nach wie vor kritisch gegenüber. Wir rechnen aber fest damit, dass die Vorteile eines solchen Einstiegs über kurz oder lang die Akzeptanz erhöhen werden“, ist Prokscha zuversichtlich und macht zugleich einen weiteren Standortvorteil aus, der insbesondere für deutsche Investoren interessant sein dürfte: „Die Werte hier sind ähnlich wie in Deutschland. Das heißt, wir haben in Österreich ein sehr stabiles Umfeld oder zuverlässige und loyale Mitarbeiter.“

Fazit

Auch wenn der Ausstieg der Bank Austria aus dem Private Equity-Geschäft sowie die schleppende Umsetzung der AIFM-Richtlinie nicht die besten Werbemittel für die Industrie sind, haben Private Equity und Venture Capital in Österreich noch große Wachstumschancen. Es ist ein attraktiver Markt an Beteiligungsmöglichkeiten vorhanden, der vor allem mit vergleichsweise günstigen Unternehmensbewertungen überzeugt und durch die Nähe zu Osteuropa die Möglichkeit bietet, Wachstumsmärkte auf kurzem Weg zu erschließen.

 

 

Benjamin Heimlich