Unternehmen verstärkt unter Zugzwang
Schon in Normalzeiten gerät die Kommunikation immer mehr zum Dauer-Stresstest für die Unternehmen. Verantwortlich dafür sind einerseits die gehäuft auftretenden Strukturbrüche im wirtschaftlichen Umfeld, andererseits die Digitalisierung der Medien mit einer ausgeprägten Always-on-Mentalität der Stakeholder, die sich verstärkt in hybriden Rollen wiederfinden (Kunden und Mitarbeiter, die zugleich Aktionäre sind; Lieferanten, die zugleich auch Finanzierungsfunktionen übernehmen) und ihre Ansprüche, teils mit großem Nachdruck, im öffentlichen Raum geltend machen und die Unternehmen damit unter Zugzwang setzen.
Konsequenzen für alle Stakeholder
Noch viel stärker tritt die Bedeutung der Kommunikation in Sondersituationen wie etwa Unternehmenszusammenschlüssen zutage. Fusionen und Übernahmen sind komplexe, facettenreiche Ereignisse, die eine sprunghafte Veränderung von Struktur und Größe eines Unternehmens bewirken können. Weil M&A-Transaktionen schon rein definitorisch mit der Übertragung von Eigentumsrechten und damit zugleich auch mit dem Übergang von Leitungs- und Kontrollrechten verbunden sind, weisen sie, abhängig von Art und Größe der Transaktion, mehr oder weniger weitreichende finanzielle, organisatorische, personelle und kulturelle Konsequenzen auf – Konsequenzen, die letztlich alle Stakeholder betreffen.
Gerüchte, Emotionen, Feindbilder
Vor allem die betroffenen Mitarbeiter erleben Fusionen und Übernahmen als Phasen teils existenzbedrohender Unsicherheit. Fehlt es an einer schlüssigen Kommunikation, wird die Bewertung der Transaktion schnell durch Gerüchte, Emotionen und Feindbilder geprägt. Die Folgen sind eine Abwanderung von Know-how-Trägern, Produktivitätsrückgänge bis hin zu Versuchen, die Transaktion durch fehlende Integrationsbereitschaft oder gar Sabotage zum Scheitern zu bringen – Entwicklungen, die letztlich die ökonomisch positiven Effekte einer Transaktion dämpfen oder im Extremfall sogar konterkarieren können.
Vertrauensaufbau als oberstes Ziel
Das mag erklären, weshalb der Studie zufolge die Schaffung von Vertrauen bei den Zielen der M&A-Kommunikation an oberster Stelle steht (78%), dicht gefolgt von der Vermeidung von Produktivitätseinbußen als Folge einer Verunsicherung der Mitarbeiter (75%). Drei Fünftel der Befragten (61%) wollen mit einer transparenten Informationspolitik die Abwanderung von Schlüssel-Know-how-Trägern zum Wettbewerb verhindern. Konsequenterweise sollten die Auswirkungen der M&A-Transaktion auf die betroffenen Mitarbeiter bzw. Standorte (85%) zusammen mit der Logik der Transaktion (95%) im Mittelpunkt der Kommunikation stehen. Den finanziellen und vertraglichen Details räumen die Befragten dagegen nur eine geringe Bedeutung ein (22%).
Pflicht und Kür der Kommunikation
Folgt man den Ergebnissen der Studie, so scheinen sich die Unternehmen insgesamt gut auf die Kommunikation mit den Stakeholdern vorzubereiten. Ein Fragen-und-Antworten-Katalog, der wesentliche Aspekte einer Transaktion beleuchtet, ist offenbar weitgehend Standard (75%). Immerhin drei Fünftel der Befragten (61%) gaben an, einen detaillierten Kommunikationsplan für Tag eins zu erstellen, annähernd ebenso viele Studienteilnehmer (58%) gaben an, eine sogenannte Stakeholder-Analyse durchzuführen, um die spezifischen Informationsbedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen im Vorfeld einer M&A-Transaktion zu identifizieren. Abseits dieses von der M&A-Branche gelernten kommunikativen Pflichtprogramms zeigt sich indessen ein erheblicher Handlungsbedarf in strategischer Hinsicht: Beinahe zwei Drittel der Umfrageteilnehmer bemängeln das Fehlen einer expliziten Kommunikationsstrategie (64%). 59% der Befragten sind der Auffassung, dass die Kommunikationsinhalte und -kanäle noch besser auf die spezifischen Informationsbedürfnisse der verschiedenen Stakeholder abgestimmt werden könnten – Voraussetzung für die Entwicklung besonders effektiver, weil zielgruppenspezifischer Kommunikationsmaßnahmen.
Evaluierung teils unbefriedigend
Da passt es ins Bild, dass nur der kleinste Teil der Befragten eine systematische Erfolgsmessung betreibt – denn ohne explizit formulierte Strategie mit entsprechenden Zielvorgaben dürfte es auch schwerfallen, den Erfolgsbeitrag der Kommunikation zu messen. Mit 41% stellen „Pulse Checks“, also Befragungen zur Ermittlung der Mitarbeiterzufriedenheit, das am meisten genutzte Instrument der Erfolgsmessung dar. Ein Drittel der Studienteilnehmer (32%) gibt Medienresonanzanalysen in Auftrag, um ein Bild von Art, Umfang und Tonalität der Medienberichterstattung rund um eine Transaktion zu gewinnen. Auffällig aber auch: Ein Fünftel der Befragten (22%) verzichtet komplett auf jede Evaluierung der Kommunikationsaktivitäten.
Kommunikation im M&A-Prozess
Die Benchmark-Studie M&A-Kommunikation wurde vom Arbeitskreis Kommunikation beim Bundesverband M&A in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsberatung MärzheuserGutzy durchgeführt. An der standardisierten Online-Befragung beteiligten sich M&A Professionals von rund 60 Institutionen aus Deutschland. Die Studie kann kostenfrei auf der Homepage des Bundesverbandes M&A heruntergeladen werden: www.bm-a.de