Vor neuen Herausforderungen
Das haben unter den EU-Mitgliedstaaten nur der österreichische und der deutsche Mittelstand geschafft: Laut der von der EU-Kommission veröffentlichten „KMU-Leistungsüberprüfung 2012“ erzielen die kleinen und mittleren Unternehmen in den beiden Ländern heute eine größere Wertschöpfung als vor dem Krisenjahr 2008. Doch schon warten wieder neue Herausforderungen. In der jüngsten Creditreform-Mittelstandsstudie für Österreich klagen rund 60% der Firmen über einen verschärften Zugang zu Finanzierungsmitteln. „Die Banken werden das Kreditangebot aus regulatorischen und strategischen Gründen nicht mehr in gleichem Maße aufrechterhalten können wie bisher“, sagt Sebastian Erich, Leiter des Bereichs Großkunden bei der Ersten Bank der österreichischen Sparkassen AG. Er rechnet deshalb damit, dass sich die Firmen künftig stärker mit der Eigenkapitalbeschaffung befassen müssen – auch weil in den nächsten Jahren bei vielen Unternehmen Refinanzierungen anstehen. „Dann wird die Kapitalnachfrage anziehen und damit das Thema Private Equity an Relevanz gewinnen“, sagt Erich.
Ein Henne-Ei-Problem
Bei den vielen eher kleinen, oft über Generationen hinweg von der Familie dominierten Firmen ist die Bereitschaft, das Ruder abzugeben, nicht sonderlich groß. Wegen der verhaltenen Akzeptanz ist andererseits das Angebot an Beteiligungskapital überschaubar. „Private Equity hat in Österreich ein Henne-Ei-Problem“, analysiert Erich. Zwar gebe es einige kleine Fonds, die sich im einstelligen Millionenbereich engagieren, und auf der anderen Seite die an größeren Deals interessierten internationalen Finanzinvestoren. „Dazwischen aber, bei den für den klassischen Mittelstand relevanten Transaktionen von 10 bis 20 Mio. EUR, klafft ein Gap“, sagt Erich. Aufsehenerregende Deals wie die Übernahme der Schlecker-Filialen durch einen Fonds des Krisenberaters Rudolf Haberleitner sind eher die Ausnahme. Bei der größten Transaktion des Jahres 2012 wiederum waren ausländische Kapitalgeber unter sich. Der US-Investor Carlyle reichte das Wiener Software-Unternehmen UC4 zu einem Preis von 220 Mio. EUR an einen Fonds der schwedischen EQT weiter.
Banken und Versicherer investieren weniger
Nicht eben förderlich ist es, dass sich die Kreditinstitute zunehmend aus dem Beteiligungsmarkt zurückziehen. So bestätigte die Bank Austria im November den angestrebten Verkauf ihres EK Mittelstandsfonds. Auch die mit neuen Regulierungen konfrontierten Versicherer investieren vorsichtiger. Standen Banken und Versicherungen vor 2009 noch für bis zu 80% des Fundraisings, so lag ihr Anteil 2011 nur noch bei 23%. Ein zusätzlicher Schub dagegen könnte von privater Seite kommen, wo z.B. Family Offices auf der Suche nach mehr Return verstärkt Interesse zeigen.
Wettbewerb um die Perlen im Markt
An Finanzierungsanlässen mangelt es nicht. „Die Bereitschaft für Finanzierungen durch Private Equity nimmt angesichts des knapper werdenden Kreditangebots zusehends zu“, bestätigt Dr. Oliver Grabherr, Vorstand der GCP gamma capital partners und Präsident der Austria Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO). So wird sich rund ein Viertel der österreichischen Unternehmen im Jahr 2013 mit der Nachfolgeregelung beschäftigen. „Hinzu kommen Wachstumsfinanzierungen, wobei sich gerade angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten für expandierende Unternehmen günstige Einstiegsgelegenheiten für Übernahmen bieten“, sagt Grabherr. Gesucht seien vor allem profitable Firmen mit starkem Cashflow – quer durch alle Industrien. Die GCP selbst stellt vor allem Venture Capital für junge Unternehmen bereit und sieht da derzeit insbesondere bei Mobile Solutions, in der IT-Virtualisierung, im Cleantech-, Medtech- und Life Sciences-Sektor große Wachstumschancen. Österreich verfügt zudem über einen industriellen Sektor mit Perspektiven. „Auch in diesem für Beteiligungsinvestoren relativ eingeschränkten Markt finden sich immer wieder Perlen“, sagt Dietmar Gstrein, Vorstand der Tyrol Equity AG.
Eisbär-Investor mit langfristigem Horizont
Die von dem Unternehmer Dr. Christoph Gerin-Swarovski im Jahr 2007 initiierte Industrieholding sieht sich als Alternative zu klassischen Private Equity-Fonds und will im Rahmen von Mehrheitsbeteiligungen ein Portfolio aus mittelständischen Unternehmen aufbauen. Sie richtet ihren Blick sowohl auf den gewachsenen Mittelstand in der Heimat wie auch im benachbarten Ausland. Eine österreichische Firma im Portfolio ist seit 2009 der Winterbekleidungshersteller Eisbär, an dem man sich im Zuge einer Nachfolgeregelung beteiligt hat. Die Tyrol Equity AG sucht darüber hinaus aktiv nach Beteiligungen im Zuge von Wachstums- und Sanierungsfinanzierungen. Das Augenmerk liegt vor allem auf Produktionsunternehmen der Branchen Metallbe- und -verarbeitung, Kunststoff, Elastomere und technische Keramik. „Wir halten Beteiligungen eher langfristig und planen nicht von Beginn an den Exit“, betont Gstrein zudem den nicht an Laufzeiten gebundenen Investmentansatz.
Neue Impulse für Mezzanine
„Österreich bleibt ein kleiner Markt und wird sich nicht drastisch verändern“, sagt Gstrein. Wenn sich der Mittelstand nun doch stärker für Beteiligungen öffnen sollte, werde er die Vergabe von Minderheitsanteilen bevorzugen. Eine weitere Alternative sind Mezzanine-Finanzierungen. Allzu groß ist die Auswahl da allerdings nicht. „Das Angebot an Mezzanine ist in Österreich dünn gesät und wird in der Hauptsache von einigen wenigen regionalen Banken und öffentlichen Institutionen getragen“, sagt der AVCO-Präsident Grabherr. Für eine deutliche Erweiterung des Angebots sorgt seit dem Jahr 2009 der durch die Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws) – die Förderbank der Republik Österreich – gegründete aws-mittelstandsfonds. Dieser heute größte Fonds für stille Beteiligungen investiert in expandierende mittelständische Unternehmen mit bis zu rund 500 Mitarbeitern und einem Mindestumsatz von 2 Mio. EUR. „Die Eigenkapitalausstattung der österreichischen Unternehmen ist sehr schlecht, mit durchschnittlich 25% gehören sie sogar zu den Schlusslichtern in Europa“, sagt Arno Langwieser, Geschäftsführer der aws-mittelstandsfonds. Auch das Verhältnis von Private Equity-Investitionen zum BIP sei in Österreich um den Faktor 7 niedriger als im EU-Durchschnitt und um den Faktor 4 geringer als in Deutschland.
Co-Investoren aus den Nachbarländern gesucht
Der aws-mittelstandsfonds, der auch Eigenkapital durch die Übernahme von Minderheitsanteilen anbietet, kann einiges zur Beseitigung dieses Defizits beitragen. Bei größeren Transaktionen reichen die von dem Fonds bereitgestellten Beträge zwischen 300.000 und 5 Mio. EUR allerdings nicht immer aus. „Wir prüfen 350 Projekte pro Jahr und suchen mitunter dringend nach Co-Investoren“, sagt Langwieser. Manches davon würde man gerne mit deutschen und Schweizer Fonds machen. Insgesamt nämlich gebe es zu wenige Anbieter von Private Equity in Österreich. Das ist aus Sicht der aktiven Fonds allerdings auch interessant. „Man kommt unter diesen Bedingungen leichter zu aussichtsreichen Investments und attraktiven Bewertungen“, sagt Langwieser.
Fazit
Wenn die Banken künftig strengere Anforderungen an die Kreditvergabe stellen, wird Beteiligungskapital stärker in den Blickpunkt des österreichischen Mittelstands rücken. Anstehende Refinanzierungen, Nachfolgelösungen und Akquisitionsgelegenheiten dürften für Nachfrage sorgen. „Und wenn das Interesse an Private Equity steigt, wird auch Mezzanine als Brücke zwischen Debt und Equity an Bedeutung gewinnen“, sagt Erich von der Ersten Bank.