VC Magazin: Sie haben 2011 in einer Krisensituation die Geschäftsführung von O-Flexx übernommen. Was hat Sie dazu veranlasst, in einer schwierigen Situation eine so große Verantwortung zu übernehmen?
Ulland: O-Flexx Technologies befand sich im Herbst 2011 in einer tiefen Krise: Der damalige CEO hatte nach nur sieben Monaten das Unternehmen wieder verlassen, technologisch konnte das Unternehmen in dieser Zeit kaum Fortschritte nachweisen, die Investoren zweifelten teilweise an der Marktfähigkeit der Technologie und die finanziellen Reserven gingen zur Neige. Seinerzeit erklärten mein Kollege und CTO Dr. Gerhard Span und ich uns bereit, die Geschäftsführung zu übernehmen, da wir weiterhin von der Idee und den Marktchancen überzeugt sind. Wir hatten ein gutes Team zur Verfügung und wollten intern einige Weichen neu stellen, um das Potenzial unserer Technologie zu entfalten.
VC Magazin: Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Situation mit Ihren Investoren gemacht? Wie groß war der Rückhalt?
Ulland: Im Jahr 2012 sind uns nur zwei von sieben institutionellen Investoren treu geblieben. Die anderen hatten falsche Vorstellungen davon, wie lange es im Bereich der Thermoelektrik dauert, ein massenmarktfähiges Produkt zu entwickeln. Fortschritte werden nicht linear erzielt, sondern in Sprüngen – und diese Sprünge können auch ins Leere gehen. Es müssen eine ganze Reihe von Parametern in unseren Prozessen gleichzeitig optimiert werden, damit ein deutlicher Sprung nach vorn gelingt. Unsere derzeitigen Investoren Emerald Technology Ventures und SAM GmbH vertrauen uns auf der Basis regelmäßiger Updates zu Markt, Technologie und Team und belohnen unser Engagement durch die Bereitstellung erforderlicher Mittel.
VC Magazin: Was haben Sie bisher bei der Weiterentwicklung des Unternehmens erreicht? Worauf sind Sie besonders stolz?
Ulland: Das Jahr 2012 brachte durch eine unermüdliche Teamleistung wieder einen der erwähnten Sprünge nach vorn: Wir konnten die elektrische Leistung unseres O-Flexx Power Straps von unter 100 Milliwatt auf 3 Watt steigern, also mehr als verdreißigfachen! Wir haben mit Prototypen die ersten Umsätze realisiert und mit mehreren Unternehmen aus dem Heiztechnikbereich, unserem ersten Fokusmarkt, vielversprechende Entwicklungsprojekte initiiert, die Heizungen mit thermoelektrischer Energie versorgen und im Idealfall netzunabhängig machen können. Das hätte zum Beispiel im Herbst trotz Wirbelsturm „Sandy“ vielen Menschen ein warmes Haus beschert: Die Heizungen waren vom Wirbelsturm nicht weggeblasen worden, auch Brennmaterial war vorhanden, allein die elektrische Energie zum Betrieb der Heizungen fehlte. Hier hätten thermoelektrisch versorgte Geräte problemlos funktioniert. Besonders stolz sind Herr Span und ich darauf, dass wir es trotz weiterhin sehr begrenzter Kapazitäten geschafft haben, sowohl bei der Technologie, im Markt und bei der Finanzierung Fortschritte zu erzielen.
VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?
Ulland: Eine schmerzhafte Lektion für unser Unternehmen war sicher die Erkenntnis, dass ein Konzernmanager ein Technologie-Start-up nicht zwangsläufig zum Erfolg führt, vor allem bei so komplexen Technologien wie der Thermoelektrik. Darauf haben Herr Span und ich unser Führungsverhalten nach dem Neustart abgestimmt und variieren ganz nach Bedarf zwischen Micromanagement und ganz viel Spielraum für unsere Kreativen.
VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen hierzulande der größte Pluspunkt und das größte Manko für Technologieunternehmen?
Ulland: Ein großer Pluspunkt ist aus unserer Sicht die sehr breit gefächerte Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Es gibt fast zu jedem Problem Fachleute und Spezialisten, man muss ihre Erkenntnisse nur für das eigene Ziel miteinander kombinieren. Hierin liegt die besondere Herausforderung eines Start-ups, das aufgrund begrenzter Ressourcen nicht alles selber entwickeln kann. Da all dies jedoch Zeit und Geld kostet, würde ich mir noch mehr mutige Venture Capital-Gesellschaften wünschen, die einem jungen Technologieunternehmen den finanziellen Spielraum geben – also eine Rückbesinnung auf das Venture gerade bei unsicheren Prognosen für das zu erwirtschaftende Capital am Ende. Hier sehen wir derzeit einen Trend, hauptsächlich in Internet-Geschäftsmodelle zu investieren und den langen Atem für den Aufbau eines Technologieunternehmens zu vermeiden.
VC Magazin: Gibt es Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?
Ulland: Mit diesen Begriffen bin ich im Berufsleben sehr vorsichtig, der Sportler in mir würde einfacher Antwort geben können. Generell habe ich großen Respekt vor Menschen, die an sich glauben, für ihre Ideen kämpfen, sich auch über lange Durststrecken anstrengen und dafür persönliche Interessen zurückstellen. Ihnen verdanken wir viele technische Erfolge, die heute für uns selbstverständlich sind.
VC Magazin: Sie haben mit Erfolg am German Venture Day 2012 teilgenommen. Wie können Unternehmen aus Ihrer Sicht von solchen Veranstaltungen profitieren? Wo haben solche Events ihre Grenzen?
Ulland: Der große Vorteil liegt sicher in der Chance, sein Unternehmen einem sehr breiten Auditorium vorzustellen, auch im direkten Vergleich zu anderen Start-up-Konzepten. Aufgrund der knappen Zeitvorgabe ist es jedoch gerade für Konzepte, die sich nicht auf „anfassbare“ Produkte beziehen, schwer, die Idee und deren Marktfähigkeit ausreichend zu erklären. Uns ist dies offenbar gelungen, für uns haben sich fruchtbare Erstkontakte zu potenziellen Investoren ergeben.
VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für O-Flexx und Ihre unternehmerische Zukunft aus?
Ulland: Aktuell beschäftigt uns ein ganz pragmatisches Thema, wir ziehen in neue Räumlichkeiten innerhalb von Duisburg um, die uns ausreichend Platz für die mittelfristige Expansion geben. Außerdem stehen wir kurz vor dem Closing mit einem weiteren Investor, was uns die Chance gibt, im Jahr 2013 mit Industriepartnern aus unseren Prototypen einbaufertige Systeme zu entwickeln und in Kleinserien zu testen. Wir werden als Team weiterhin intensiv die Technologie verbessern, unsere internen Prozesse weiter professionalisieren und natürlich weitere Märkte erschließen. Wir von O-Flexx wollen zum ersten Unternehmen in der weltweiten Thermoelektrik werden, dessen Produkte aus der Riesenmenge an Abwärme in nennenswertem Maßstab Elektrizität erzeugen.
VC Magazin: Vielen Dank, Herr Ulland, für das Interview!
Das Gespräch führte Susanne Gläser.
Zum Gesprächspartner:
Dr. Holger Ulland ist CEO der Duisburger O-Flexx Technologies GmbH. Nach Stationen in der Packaging-Industrie und einigen internationalen Konzernen kam 2006 als Business Development Director zu O-Flexx, wo er 2011 die Geschäftsführung übernahm.