Österreicher wollen Meer

Forschung gepaart mit Betriebswirtschaft

„Bei kaum einem Biotech-Unternehmen steigt so früh ein Investor ein wie bei uns“, sagt Mitgründer Pretsch stolz. Nicht ohne Grund, denn der Großteil der Biotechs startet als Ausgründung einer Universität – aus Pretschs Sicht ein Problem. Er führt aus: „Der Professor hat eine Idee, sucht sich Mitstreiter aus seinem Umfeld, zusammen forschen sie ein paar Jahre lang herum, verbrennen einen Haufen Geld – und gehen Pleite, spätestens in der klinischen Phase.“ Bei Sealife Pharma ist das anders. Der Biomediziner und Meeresbiologe Pretsch war vorher bereits mit zwei anderen Start-ups erfolgreich. Und das Team bestand nie nur aus Forschern. Von Anfang an – also seit 2008 – war der Betriebswirtschaftler Andreas Krems dabei. Für den Investor, die niederösterreichische tecnet equity, ein triftiges Argument. „Wir mussten den Leuten von Sealife Pharma nicht beibringen, wie ein Start-up funktioniert. Das unternehmerische Know-how war da. Und wir waren beruhigt“, sagt tecnet-Projektmanager Dr. Christian Laurer. Die tecnet equity ist zwar eine Tochtergesellschaft des Landes Niederösterreich. „Aber wir fördern nicht, wir investieren“, so Laurer. Seit 2003 versucht tecnet, die Region mit klassischem Venture Capital als Technologie- und Wirtschaftsstandort zu stärken. Über 38 Mio. EUR liegen im Fonds. Ein weiterer Spieler ist Accent, ein Inkubator, der Akademikern bei ihren Geschäftsideen hilft. Von hier kam auch der Impuls, in Sealife Pharma zu investieren.

Venture Capital in Tranchen

„Da die Zahl der resistenten Keime zunimmt, ist der Markt für eine Alternative zu Antibiotika weltweit sehr groß“, erklärt Laurer. „Und Mitwettbewerber gibt es höchstens in Form von kleinen Forschungsgruppen.“ Immer wieder war Alexander Pretsch bei früheren Forschungen auf Meeresorganismen gestoßen, die antibiotisch wirken. Aber: Warum sind diese nicht längst auf dem Markt? „Meist publizieren Universitäten ihre Erkenntnisse, dadurch sind die Wirkstoffe nicht mehr patentierbar und lohnen sich für große Pharma-Unternehmen nicht“, sagt Pretsch. Diese Lücke will Sealife Pharma schließen. Tecnet equity stellt das Kapital dafür zur Verfügung – zusammen mit dem zweiten Investor, PP Capital. Die Finanzierungsrunde von 2011 brachte eine Summe von 2 Mio. EUR ein. Aber: Das Geld kommt in Tranchen. „Auch wenn wir dem Land Niederösterreich gehören, ist es ein Venture wie jedes andere“, betont Laurer. Ob wirklich Geld fließt, hängt von den erreichten Meilensteinen ab. Keine Einmischung, sondern willkommene Unterstützung für die Unternehmer. „Ich habe lauter Wissenschaftler um mich herum, da kommt man manchmal in Versuchung, vom Weg abzukommen. Es ist schon gut, dass jemand einen kontrolliert“, so Pretsch.

Flexible Strukturen

Dass Sealife Pharma auch schwierige Phasen meistern kann, hat das Unternehmen in der Wirtschaftskrise gezeigt. „Wir haben sehr geschickt agiert. Zum Beispiel konnten wir allein mit Forschungsgeldern aus China – in dem Fall eine Viertelmillion Euro – ein ganzes Jahr lang überleben“, erinnert sich Pretsch. Und die Unternehmensgründer haben in dieser Zeit auch gezeigt, dass sie Kosten einsparen können. Die Mitarbeiterstruktur ändert sich ständig – je nachdem, in welcher Phase der Entwicklung sich der Wirkstoff befindet. „Am Anfang hatten wir viele Biologen, später waren es mehr Chemiker. Und in zwei Jahren sind vielleicht die Business Developer in der Mehrheit.“ 16 Mitarbeiter sind es inzwischen. Zur achtköpfigen Kernmannschaft kommen Doktoranden, Diplomanden und Studenten hinzu, die nur ein bis zwei Jahre im Unternehmen bleiben und im Labor stehen.

Ausblick

Der Wirkstoff liegt inzwischen vor, in den nächsten Monaten wird er in Tierversuchen getestet. Ursprünglich sollte der Exit bereits danach erfolgen. Inzwischen geht Unternehmer Pretsch aber davon aus, dass Sealife Pharma auch noch wenigstens die erste klinische Phase selbst übernehmen wird – und erst dann mit einem großen Pharma-Unternehmen kooperiert: „Wir würden sonst nie das Volumen erzielen, das wir anstreben.“ Erst kürzlich hat in Österreich ein anderes Biotech-Start-up rund 150 Mio. EUR bekommen, der Investor war auch hier erst in Phase II eingestiegen. „Das wäre auch für uns wünschenswert. Wir würden deshalb gerne noch eine Finanzierungsrunde machen, eine klassische Series B. Ich rechne fest damit, dass beide Investoren mitziehen“, so Pretsch. „Und ihr Vertrauen wäre natürlich auch ein gutes Signal an einen Drittinvestor.“ In Österreich bleiben wird Sealife Pharma aber in jedem Fall. „Das Investmentvolumen ist hier zwar nicht vergleichbar mit zum Beispiel dem in England“, sagt Pretsch. „Aber wir sind alle fest hier verwurzelt. Es muss auch in Österreich möglich sein, so etwas umzusetzen.“