Interview mit Andreas Thümmler, CFP, und Nicolas Gabrysch, Osborne Clarke

 VC Magazin: Die lebhafte Berliner Szene hat in den letzten Monaten einige ausländische Venture Capitalisten nach Deutschland gelockt. Sehen Sie bereits einen Trend?

Thümmler: Wir sehen da keinen Hype und eigentlich auch keine große Zunahme an ausländischen Investitionen. Klar gibt es einige mehr, die jetzt ihre Fühler nach Deutschland ausstrecken, doch ihre Aktivitäten sind recht überschaubar. Bislang gibt es auch kaum Niederlassungen dieser Investoren in Deutschland. Den richtigen Push haben wir also noch nicht wirklich gesehen.

Gabrysch: Das sehe ich auch so. Man sieht vereinzelt große Investoren wie KPCB bei Soundcloud. Insgesamt sind für ausländische Investoren besonders die Later Stage-Themen interessant, denn in diesem Segment finden die großen Investitionen statt, die deutsche Investoren oft nicht mehr stemmen können.

Thümmler: Die ausländischen Fonds müssen in der Tat größere Tickets ziehen, sie sind ja oft milliardenschwer. Deshalb können sie Deals erst ab 15 bis 20 Mio. EUR eingehen, manche legen auch erst bei 50 Mio. EUR los. Da drängt sich die Frage auf, wie viele Wachstumsunternehmen es in Berlin und in Deutschland überhaupt gibt, die eine 50-Mio.-EUR-Kapitalerhöhung eines Minderheitsinvestors vertragen können. Da kommen nicht viele infrage. Sicher hätten viele gern so viel Geld, aber von durchschnittlich 100 deutschen Unternehmen ist vielleicht eine Handvoll dafür geeignet.

 

VC Magazin: 2012 sind auch einige neue Dienstleister in den deutschen Markt vorgestoßen. Spüren Sie verstärkte Konkurrenz?

Thümmler: Wir spüren die Konkurrenz nicht. Die Investmentbanken aus London, die in Berlin die Fühler ausgestreckt haben, begleiten Deals mit einem Wert zwischen 15 bis 30 Mio. EUR und konzentrieren sich eher auf kleinere Finanzierungsrunden von bis zu 5 Mio. EUR. CFP ist eher auf Deal Sizes zwischen 30 und 300 Mio. EUR spezialisiert. Von daher ist es gar nicht schlecht, dass es diese Dienstleister gibt. Sie sind Katalysatoren für die unteren Marktsegmente.

Gabrysch: Im Legal-Bereich gibt es eine Handvoll Kanzleien, die schon länger dabei sind. Wir sehen da kaum Bewegung. Wir arbeiten immer gerne mit erfahrenen Kollegen in Projekten zusammen, das steigert ja auch die Effizienz. Erfahrung ist hier wichtig: Wer bislang mit Finanzierungs- und M&A-Themen nichts zu tun hatte, wird sich schwertun.

 

VC Magazin: Wen sehen Sie aktuell als die größte Investorengruppe in Internet-Geschäftsmodelle?

Gabrysch: In der Seed-Phase sind das ganz klar die Business Angels. Sie machen die meisten Deals und auch die Volumina werden immer größer, teilweise zeichnen auch einzelne Investoren immer größere Millionentickets. Je größer das Unternehmen wird, desto schwieriger wird es jedoch für die Angels mitzuziehen. Ein weiterer kleiner Trend ist Corporate Venture Capital: Wir haben jüngst die Investition der Rewe Group in die HolidayInsider AG begleitet, außerdem die erste Beteiligung eines Kölner Verlagshauses an einer Berliner Internetplattform.

Thümmler: Wir haben eine wirklich gute Business Angels-Infrastruktur im Early Stage-Bereich. Investoren wie der High-Tech Gründerfonds runden das Angebot ab. Auch der Later Stage-Bereich ist gut aufgestellt, es herrscht eher ein Mangel an geeigneten Targets, davon gibt es vielleicht ein Duzend im Jahr. Die Lücke klafft in der Mitte, wo Investitionen von 3 bis 10 Mio. EUR benötigt werden – hier gibt es nicht genug Finanziers. Die Venture Capital-Gesellschaften haben in den vergangenen zehn Jahren keine ausreichenden Returns für ihre Limited Partner generiert – ganz klar, dass die sich jetzt genau überlegen, warum sie noch in europäisches Venture Capital investieren sollen. Viele gehen lieber in den Buyout-Bereich.

 

VC Magazin: Sie investieren auch selbst als Business Angels in vielversprechende Start-ups. Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Sie sich beteiligen?

Thümmler: Ich persönlich investiere ausschließlich im Einklang mit unserem Venture Fund venturecapital.de. Wir investieren nur in Wachstumsfirmen, idealerweise sind das Firmen, die bis zum Exit noch zwei bis maximal drei Jahre brauchen und eine Exit-Valuation von 30 bis 300 Mio. EUR erreichen dürften. Wir investieren immer im Syndikat, also zusammen mit anderen Fonds und Angels. Wir selbst schreiben Tickets von 1 bis 3 Mio. EUR, mit Syndizierung kommen durchaus 10 bis 20 Mio. EUR zusammen. Den Seed-Bereich meiden wir – jedes Jahr gibt es unzählige Start-ups, aber die nächsten fünf Jahren überleben nur sehr wenige.

Gabrysch: Bei den wenigen Investments, die ich mache, sehe ich mich eher als Early Supporter. Ich bin da viel früher unterwegs als Andreas und unterscheide mich natürlich erheblich in der Ticketgröße, die man als „Hobby-Investor“ eben machen kann. Für mich ist die Idee ganz wichtig und vor allem das Team. Wenn ich an das Team nicht glaube, habe ich in meiner Supporter-Rolle zu wenig Vertrauen, und ich kann mich ja auch nicht intensiv um das Investment kümmern; es warten ja jeden Tag noch eine Reihe anderer Aufgaben auf mich. Ein gutes Team ist für mich aber eine Option.

 

VC Magazin: Vielversprechend erscheint einigen Investoren und Inkubatoren derzeit der Gaming-Sektor. Welche Trends zeichnen sich hier ab?

Gabrysch: Es gibt zwei Trends, die wir ganz deutlich sehen. Der eine ist schon in Deutschland angekommen: Mobile. Als prominentes Beispiel gilt sicher der Gameforge-Gründer Klaas Kersting, der in diesem Bereich sehr aktiv ist. Hier ist Mobile Payment ein großes Thema, das hat man kürzlich auch wieder bei der Digital-Life-Design Konferenz gesehen. Der zweite große Trend, der sich ankündigt und gerade in den USA startet, ist die Verschmelzung von Gambling und Gaming. Ein Beispiel dafür ist Zynga Poker, die jetzt eine Glückspiellizenz beantragt haben. Ziel ist es, diese Schnittstelle zwischen Gaming und Gambling zu schließen. Wir begleiten das intensiv über unseren Blog www.spielerecht.de.

Thümmler: Im Gaming-Segment gibt es mittlerweile sehr viel Wettbewerb und der Markt ist reif geworden, deshalb habe ich das Gefühl, dass da die Spannung zum Teil draußen ist und die größeren Firmen an ihre Wachstumsgrenzen stoßen. Diese Unternehmen müssten jetzt mehr M&A-Aktivität entwickeln, also anorganisch wachsen, um mit einem gewissen Tempo weiter voranzukommen. Momentan passiert da aber noch zu wenig. Interessante neue Deals sehen wir hingegen in den Bereichen Big Data, Cloud und Crowd.

 

VC Magazin: Was macht ein junges Unternehmen zu einem interessanten Exit-Kandidaten? Wofür sind strategische Käufer zurzeit bereit, einen attraktiven Preis zu zahlen?

Thümmler: Die Business Performance muss stimmen: Das Unternehmen muss steigende Umsätze, gute Margen und Gewinne vorweisen können, alle Kennzahlen müssen in die richtige Richtung weisen. In jedem Tech-Segment gibt es außerdem Subsegmente, die im Moment gerade heiß sind. Neue, wachstumsträchtige Bereiche haben höhere Multiples als die etablierten.

Gabrysch: Jenseits vom Internetbereich stellen wir Interesse an guter Technologie und Software fest. Gerade im Mid Cap-Bereich gibt es immer wieder Verkäufe toller Technologieunternehmen mit solidem Wachstum, Größe und Zahlen. Auch ausländische Investoren, gerade aus den USA, sehen sich vermehrt in Deutschland nach den Perlen um, sie haben in puncto Entwicklung und Technologie großes Vertrauen in den deutschen Markt.

Thümmler: In Fällen wie Sysgo sind die Software-Firmen strategisch so wichtig, dass sie gekauft werden, auch wenn noch keine großen Umsätze da sind. Da zahlen die Käufer eine strategische Prämie. Diese Fälle sind aber eher Ausnahmen.

 

VC Magazin: Wie groß ist das Interesse strategischer Käufer an deutschen Internet-Companies?

Thümmler: Es ist mehr Geld vorhanden als je zuvor. Das Geld wird ja so schnell gedruckt, dass man gar nicht mehr hinterherkommt! Die ganz großen Strategen sitzen auf riesigen Cashpots. PayPal hat alleine in Luxemburg 11 Mrd. EUR herumliegen, die sie niedrig verzinsen und aus steuerrechtlichen Gründen nicht zurück in die USA überführen können! Solche Unternehmen haben nicht viele Optionen für Zukäufe. Auch bei den Private Equity-Fonds ist genügend Liquidität vorhanden. Das Problem ist, dass potenzielle Targets mit organischem Wachstum allein die nötigen Größenordnungen nicht erreichen. Durch M&A müssten größere Einheiten generiert werden – aber das ist eben ein hartes Geschäft. Leider sind oft sehr viele Investoren und Anteilseigner involviert und feilschen kleinlich und kurzsichtig um Preise, statt gemeinsam anzupacken.

 

VC Magazin: Börsengänge junger Technologieunternehmen waren in den letzten Jahren in Europa geradezu unmöglich. Sollten sich europäische Start-ups grundsätzlich von der Exit-Route Börsengang verabschieden?

Thümmler: Die Börsen in Deutschland oder in Europa sind für Tech-Unternehmen irrelevant. Man sollte diese Unternehmen an die Börsen in den USA oder in Hongkong bringen, hierzulande werden keine attraktiven Bewertungen erreicht. Es wird gemunkelt, dass Rocket Internet oder Zalando an die Börse gehen. Ich gehe aber davon aus, dass die Samwer-Brüder ein gutes M&A-Angebot vorziehen würden.

Gabrysch: Das sehe ich auch so. Ab und zu denkt man als Alternative an Listings im Ausland, aber ich glaube, dass das Problem bleibt, man schiebt es nur auf einen anderen Markt. Deshalb wird der Trade Sale gerade für die Internet- und Gaming-Unternehmen der interessanteste Exit-Kanal bleiben.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

 

Das Gespräch führten Susanne Gläser und Mathias Renz.

 

Zu den Gesprächspartnern:

Nicolas Gabrysch ist Rechtsanwalt und Partner bei Osborne Clarke (www.osborneclarke.de) in Köln und Berlin. Er begleitet Venture Capital-Finanzierungen und M&A-Projekte und hat einen Schwerpunkt im Bereich Digital Business. Er hat u.a. den Verkauf von DailyDeal begleitet sowie die letzte Finanzierung bei Wooga.

Andreas Thümmler ist Gründer und Managing Director der M&A-Beratung Corporate Finance Partners (CFP, www.cfpartners.com), die 2012 u.a. die Verkäufe von Qype, intelliAd, Sysgo oder HolidayInsider und die Finanzierungsrunden von Internetstore, Trademob und lieferando begleitet hat.