Trotz allem: die Finanzierungsmittel sind begrenzt
Ein beachtlicher Anteil am Marktvolumen entfiel auf die Marktführer Seedmatch und Innovestment, die zusammen drei Viertel des Gesamtmarkts ausmachen (vgl. Grafik S. XX). Im Januar 2013 konnten vier neue Portale mindestens eine Start-up-Finanzierung erfolgreich beenden. Bei all der Euphorie über die neuen Finanzierungsmöglichkeiten sollte aber nicht vergessen werden, dass das Kapital irgendwie bereitgestellt werden muss. Sind die Anleger nicht in der Lage, das vergleichsweise hohe Risiko einer Start-up-Finanzierung zu tragen, könnten sie ihre Investitionsbereitschaft nach dem ersten Totalverlust schnell revidieren.
Wer sind also die Kapitalgeber? Dass sich institutionelle Risikoinvestoren in größerem Umfang am Crowdinvesting beteiligen, ist bislang nicht bekannt. Im aktuellen Marktumfeld nehmen am Crowdinvesting vor allem Privatanleger teil. Diese sind nach einer ersten Tatsachenerhebung mehrheitlich männlich, im Durchschnitt 39 Jahre alt, beruflich in einer finanzierungs- oder innovationsnahen Branche tätig und haben bereits Erfahrung am Kapitalmarkt gesammelt. Diese Investoren dürften vergleichsweise gut imstande sein, das mit Start-up-Unternehmen verbundene Risiko zu tragen. Da die individuelle Ausfallwahrscheinlichkeit eines Start-ups dennoch sehr hoch ist, sollten die Investoren ihr Portfolio gemäß Markowitz über unterschiedliche Firmen und mehrere Crowdinvesting-Portale hinweg diversifizieren.
Gewinn- und Verlustbeteiligung
Ebenso wie am traditionellen Kapitalmarkt erwerben die Anleger beim Crowdinvesting eine Berechtigung an den zukünftigen Zahlungsströmen eines Unternehmens. Zur Durchführung der jährlichen Gewinn- und Verlustbeteiligung wird ihnen dafür üblicherweise ein Einlage-, Gewinn- und Verlustkonto eingerichtet. Gewinne werden nach Erstellung des Jahresabschlusses auf dem Gewinnkonto verbucht und anschließend auf das Privatkonto der Investoren überwiesen. Verluste werden auf dem Verlustkonto eingetragen. Bei zukünftigen Gewinnen muss zunächst das Verlustkonto ausgeglichen werden. Eine Nachschusspflicht besteht nicht.
Auseinandersetzungsanspruch unterschiedlich gelöst
Zur jährlichen Ergebnisbeteiligung kommt häufig ein Auseinandersetzungsanspruch am Ende des Beteiligungszeitraums. Seine Höhe wird beim Branchenführer Seedmatch auf der Basis des Unternehmenserfolgs des vorherigen Geschäftsjahres ermittelt. Zum Beispiel ist die Berechnungsbasis des Auseinandersetzungsanspruchs gegen die eTukTuk GmbH das Sechsfache des EBIT des vergangenen Geschäftsjahres. Hieran wird jeder Crowdinvestor proportional zum Umfang seiner Anteile am Unternehmen beteiligt. Sollte das Unternehmen am Ende des Beteiligungszeitraums keinen Gewinn ausweisen, partizipieren die Investoren am Umsatz des letzten Geschäftsjahres, der mit dem Faktor 1,2 multipliziert wird. Bei anderen Portalen orientiert sich der Auseinandersetzungsanspruch am Verkehrswert des Unternehmens. So wird bei Companisto, Innovestment und United Equity der Unternehmenswert anhand des vom Institut der Wirtschaftsprüfer aufgestellten Bewertungsstandards IDW S1 ermittelt. Ein grundsätzlich anderes System wird zukünftig das Portal Bergfürst anbieten. Hier erwerben die Anleger Aktien an Wachstumsunternehmen. Die Desinvestition erfolgt demnach nicht über den Emittenten. Stattdessen veräußern die Anleger ihre Aktien am Sekundärmarkt; die Bewertung der Anteile erfolgt durch den Marktmechanismus.
Ein einfaches Modell
Die Beteiligung der Investoren über Gewinn- und Umsatz-Multiples kann sich für die Portfoliodiversifizierung als problematisch erweisen. Nehmen wir beispielsweise an, ein Investor diversifiziert sein Portfolio nach Markowitz optimal und investiert über drei Jahre in zehn unterschiedliche Start-up-Unternehmen („Start-up 1-10“) jeweils 1.000 EUR. Der Einfachheit halber sei außerdem angenommen, dass keine zusätzlichen jährlichen Zahlungsströme oder eine feste Verzinsung der Einlage erfolgen. Die nebenstehende Grafik bildet die (Verkehrs-)Wertentwicklungen der Investitionen ab. Nach drei Jahren haben drei Start-ups Insolvenz angemeldet. Bei vier Start-ups realisiert der Anleger einen Verlust zwischen 50 bis 90%. Zwei Investitionen bringen ihm einen Gewinn von 150%. Der Wert von Start-up 1 hat sich versechsfacht. Würde der Anleger am Verkehrswert der Unternehmen partizipieren, würden ihm nach drei Jahren insgesamt 12.200 EUR ausgezahlt. Die dreijährige Kapitalrendite beträgt 22%.
Nehmen wir nun an, der Investor erhält für seine Anteile anstelle des Verkehrswerts ein Gewinn- oder Umsatz-Multiple. Da Start-up-Unternehmen häufig nur eine Idee verfolgen, generieren sie anfangs kaum Umsätze und meist keinen Gewinn. Das weckt Zweifel an der Verwendung von Umsatz- und Gewinn-Multiples, denn diese begrenzen die Beteiligung der Investoren am Upside-Potenzial der Unternehmen. Läge der Vorjahresumsatz von Start-up 1 im Verhältnis zum Verkehrswert bei 1 zu 30, müsste der Anleger das 30-fache Umsatz-Multiple erhalten, um 6.000 EUR ausgezahlt zu bekommen. Werden die Investoren hingegen „nur“ mit dem 15-fachen Umsatz-Multiple am Unternehmenserfolg beteiligt, beträgt die Auszahlung lediglich 3.000 EUR. Dieser Betrag reicht selbst bei optimaler Portfoliodiversifizierung nicht aus, um eine positive Kapitalrendite zu erwirtschaften, da der Investor am Ende des Beteiligungszeitraums insgesamt 9.200 EUR erhält und einen Kapitalverlust von 8% realisiert.
Fazit
Es ist beachtlich, dass bislang kein auf Crowdinvesting-Portalen finanziertes Start-up-Unternehmen Insolvenz anmelden musste. Aufgrund der rapide ansteigenden Zahl von Plattformen und des intensiver werdenden Wettbewerbs ist davon auszugehen, dass die Insolvenzquote steigen wird. Dies hat zwei Implikationen: Anleger sollten ihre Investitionen diversifizieren. Und die Portale sollten die Investoren unbegrenzt am Erfolg der Start-ups teilhaben lassen.
Zu den Autoren
Dr. Lars Hornuf ist Akademischer Rat a.Z. am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitgründer der Law & Economics Beratung Academicon. Prof. Dr. Lars Klöhn ist Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Unternehmensrecht.