Insbesondere der Mittelstand wähnte sich – man rieb sich die Augen – von der SPD verstanden. Unter Schwarz-Gelb wurde es zumindest nicht schlimmer. Nun könnte die Politik das Ruder herumreißen und den Schmusekurs verlassen. Ein Blick in die Parteiprogramme von SPD und Grünen verheißt nichts Gutes. Mit den Reizwörtern Vermögenssteuer, Vermögensabgabe, Erbschaftssteuer oder Reichensteuer werden alte Gräben wieder aufgerissen. Selbst die CDU scheint sich diesem Thema nicht ganz zu verschließen. „Schwarzmaler“ zeichnen deshalb bereits düstere Bilder von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD oder Grünen mit faulen Kompromissen als Ergebnis in den Skizzenblock. Der Ruck nach links scheint vorprogrammiert.
Doch Vorsicht ist geboten, denn wenn es dem Mittelstand an die Substanz geht, reagiert dieser extrem sensibel. Eine Vermögensabgabe von 15%, wie sie sich in dem Gesetzentwurf der Grünen findet, trifft den Mittelständler massiv, da er sein Vermögen im Unternehmen gebunden hat und nun, unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg, zur Kasse gebeten werden soll. Das schmälert nicht nur einen eventuell anfallenden ausschüttungsfähigen Gewinn, sondern auch die Chancen, das Unternehmen zu entwickeln, zu investieren, Arbeitsplätze zu schaffen und im schärfer werdenden internationalen Wettbewerb zu bestehen. Da sich Unternehmergeist in den Köpfen entfaltet und psychologische Prozesse sehr viel Einfluss auf die Bildung von Mut und das Wagnis von Investitionsentscheidungen nehmen, beginnt sich die zunehmende Beschäftigung mit dem Wahltermin und den sich ergebenden Szenarien wie Mehltau auf unternehmerische Entscheidungslust zu legen. Extremreaktionen mögen die Ausnahme sein, dennoch können zunehmend Fluchtgedanken wahrgenommen werden, die auch zu latenter Verkaufsbereitschaft führen.
Doch des einen Leid ist bekanntlich des anderen Freud. So entwickeln sich aus dieser Haltung Ansatzpunkte für potenzielle Käufer, seien sie Strategen oder Investoren aus der Private Equity-Szene. Gelegentlich werden Akquisitionsgespräche durch Zukunftsängste tatsächlich erleichtert. Dennoch wäre es verfehlt, bereits von einem Trend zu sprechen. Zweifelsfrei ist jedoch, dass in Wahljahren allgemeine Verunsicherung herrscht und das Verhalten von Marktteilnehmern in M&A-Prozessen eher abwartend ist. Selbst das Ausland blickt mit Argusaugen auf den Klassenprimus Deutschland. In Ermangelung europäischer Alternativen bleibt jedoch die Nachfrage nach Unternehmensbeteiligungen, insbesondere aus Asien und den USA, hoch. Politische Risiken werden aus dem Ausland wie auch von größeren börsennotierten oder nicht inhabergeführten Unternehmen eben mit völlig anderen Maßstäben gemessen. Verglichen mit vielen anderen Industrieländern genießt der Industriestandort Deutschland nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf. Eine Bundestagswahl ändert daran nichts. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich die Situation nach dem 22. September wieder deutlich entspannen dürfte. In der Regel werden die Töne nach geschlagenen Schlachten leiser, als das Geschrei vor dem Kampf vermuten ließ. Auch vor der Übernahme der Verantwortung durch Gerhard Schröder sahen viele den Untergang des Unternehmertums nahe. Wie wir alle wissen, kam es anders. Bangemachen gilt nicht!