VC Magazin: Was waren zuletzt die größten Streitfälle?
Harrison: Das ist eine schwierige Frage. Viele haben von der Auseinandersetzung zwischen Apple und Samsung über das Tablet-Design gehört. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen, aber Samsung hat seine Galaxy-Produkte zum Teil geändert. In der Telekommunikationsbranche sind viele Klagen anhängig. Dort geht es um die Höhe der Lizenzgebühren für die Nutzung von sogenannten Standards Essential Patents, d.h. Schutzrechte, die man zur Nutzung von normierter Technologie benötigt. Auch in der Biotech- und Pharmabranche gibt es eine Reihe von Klagen. Die Viagra-Fälle sind weitgehend abgeschlossen. Das Grundpatent wurde in mehreren Ländern widerrufen, weil es einen Hinweis auf die „heilsame“ Wirkung des aktiven Mittels in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung vor Anmeldung des Patents gab. In Amerika wird der Supreme Court demnächst zur grundsätzlichen Patentierbarkeit von Genen ein Urteil fällen. Es geht um die BCRA-Gene und einen Test für Brustkrebs. Das ist eine heiße Sache, da die Tests von einem Anbieter stammen und teuer sind. Der Entdecker der Gene hat sehr viel Geld und Zeit in die Forschung gesteckt und will natürlich einen Return on Invest erhalten. In Europa ist der Fall gesetzlich geregelt: Patente auf Gene werden erteilt, solange deren Wirkung beschrieben wurde.
VC Magazin: Lassen sich aktuell Trends oder Entwicklungen bei Patentanmeldungen feststellen?
Harrison: Wir sehen eine Zunahme weltweit. Während der Finanzkrise war die Anzahl von Schutzrechtsanmeldungen zurückgegangen. In den letzten vier Jahren meldeten (fast) alle Patentämter ein stetiges Wachstum. Beachtenswert ist die Zunahme von Schutzrechten aus China. Inzwischen melden lokale Unternehmen mehr Patentrechte als ausländische Firmen an. Wir können nicht mehr behaupten, dass ein chinesisches Patent keinen Wert hat.
VC Magazin: Welche Tipps geben Sie Start-ups, um häufig gemachte Fehler zu vermeiden?
Harrison: Wichtig ist die Entscheidung, was man mit der eigenen Patentpolitik beabsichtigt. Patente müssen die Geschäftsstrategie untermauern. Sie sollten ein Bestandteil der langfristigen Absicherung der intellektuellen Assets des Unternehmens sein. Und diese immateriellen Vermögenswerte bilden oftmals den größten Wert eines Start-ups und vieler anderer Unternehmen. Deren Pflege kann man nicht einem Erfinder überlassen; das ist Chefsache! Zudem sollte man sehen, welche Innovationen im Unternehmen vorhanden sind. Die innovativsten Ideen sind nicht immer die besten Patente. Durch ein Brainstorming lassen sich oft Ideen finden, die das Geschäft besser schützen.
VC Magazin: Welches Budget sollten Start-ups für die Patentpflege einplanen?
Harrison: Das Budget ist sicher wichtig. Gute Patentrechte können teuer sein. Eine genaue Kostenanalyse ist allerdings schwierig, da sie von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Doch eine grobe Finanzplanung ist immer möglich und sollte gemacht werden.
Zum Gesprächspartner
Dr. Robert Harrison ist Managing Partner der 24IP Law Group mit Dependancen in Europa und den USA. Als Patentanwalt unterstützt er Unternehmen beim Aufbau einer Lizenzstrategie und bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Er arbeitet überwiegend mit Venture Capital- und Private Equity-finanzierten Firmen, um den Wert ihrer Schutzrechte zu erhöhen.