VC Magazin: Trotz der jüngsten Entwicklung liegen der E-Commerce-Marktanteil in Deutschland klar unter dem globalen Durchschnitt. Wie viel Potenzial hat die Bundesrepublik in diesem Bereich noch und was braucht es, um dieses Potenzial zu heben?
Schipporeit: Hier gilt es zunächst sich die vorhandene Infrastruktur, also dem Zugang zu Breitband-Internet, zu Smartphones oder Tablets, genauer anzusehen, denn je höher diese Werte sind, umso reifer ist ein Markt für E-Commerce. Wenn man die einzelnen Märkte mit einander vergleicht, stellt man fest, dass beispielsweise der englische Markt reifer ist als der amerikanische. Aktuell sehe ich für den deutschen Markt keine Grenze, wir befinden uns hier in einem laufenden Prozess, der in den nächsten Jahren noch weiter an Fahrt gewinnen wird. Da auch im E-Commerce-Sektor das Thema mobiler Zugang der stärkste Wachstumstreiber ist, ist es absolut notwendig, dass jedes Unternehmen in diesem Bereich eine gute Mobile-App und dort gute Prozessen und ein gutes User-Interface hat. Das ist durchaus ein Aspekt, den Investoren sehr genau prüfen.
VC Magazin: In letzter Zeit gab es einige Übernahmen deutscher E-Commerce-Plattformen durch amerikanische Anbieter (z.B. Casacanda durch Fab). Rückt der deutsche Markt nun verstärkt in den Fokus von US-Playern?
Schipporeit: Ich denke schon, dass die großen amerikanischen Unternehmen Deutschland und England als strategische Märkte betrachten. England wird häufig als erstes erschlossen, da es keine Sprachbarriere gibt. Deutschland als größter Markt Kontinentaleuropas wird aber allgemein als der wichtigste Markt betrachtet. Daher ist davon auszugehen, dass amerikanische Player auch weiterhin versuchen werden in Deutschland Fuß zu fassen. Ich habe allerdings die Hoffnung, dass es auch in Zukunft deutsche E-Commerce-Unternehmen geben wird, die sich nicht kaufen lassen und stattdessen ihrerseits nach Amerika expandieren. Solche Firmen haben dann durchaus auch das Potenzial an die Börse zu gehen und zu globalen Spielern zu werden.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Zum Gesprächspartner:
Timm Schipporeit ist Executive Director in Morgan Stanleys Technology Banking Team, mit Sitz in London. Er ist seit 2003 bei Morgan Stanley tätig und besitzt einen Master in Business Administration der Universität Passau und der London School of Economics.
