Moderator: Bayern und die Landeshauptstadt München sind traditionell starke Start-up-Standorte. Dennoch spielt die Musik – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – mittlerweile eher in Berlin. Herr Zeil, wie kann das sein?
Zeil: Auch die Start-up-Branche unterliegt gewissen Wellen, und im Moment finden bestimmte Branchen eben besonders interessante Bedingungen in Berlin vor, auch wenn es sich bei Lichte betrachtet ein Stück weit um einen medial gesteuerten Hype handelt. Für manche ist es heute einfach schick, in Berlin zu sein. Ich bin aber überzeugt, dass das Gründerland Bayern seine Stärken ausspielen kann, dem Wettbewerb stellen wir uns jedenfalls mit großem Selbstbewusstsein. Es sollen ja auch schon Unternehmen von Berlin nach Bayern gezogen sein. Außerdem ist München ein starker Venture Capital-Standort, was hochattraktiv ist für Gründer. Etwa 30 private Venture-Gesellschaften haben hier ihren Sitz oder eine Niederlassung. Zahlreiche Unternehmerpersönlichkeiten engagieren sich darüber hinaus als Business Angels in Bayern.
Seibold: Die Berliner Start-up-Szene ist mittlerweile sehr international, das zieht auch viele ausländische Unternehmer an. Der Boom wird zusätzlich befeuert durch eine Verschiebung des Investorenappetits weg von den forschungs- und kapitalintensiven Themen in Hightech und Life Sciences hin zu den scheinbar kapitaleffizienteren Investments in der Internetwirtschaft. Und in diesem Bereich hat Berlin mittlerweile ein wirklich starkes Cluster aufgebaut. Andererseits hat aber auch Bayern hervorragende Cluster, wenn man zum Beispiel an den Life Sciences-Sektor denkt. Nur leider scheuen viele Investoren derzeit Beteiligungen in solchen kapitalintensiven Bereichen.
Moderator: Sie sprechen die Knappheit an Venture Capital an – wie hat sich die Situation in den vergangenen Jahren verändert?
Seibold: Leider fließt immer mehr privates Kapital ab. In den Jahren 2007 und 2008 wurden europaweit noch rund 8,2 Mrd. EUR jährlich in Venture-Fonds investiert, heute sind es nur mehr 4,8 Mrd. EUR. Die privaten Kapitalquellen dahinter gingen um mehr als die Hälfte zurück. Diesen Einbruch konnte auch ein deutlicher Anstieg der öffentlichen Gelder nicht kompensieren. Ein Drittel des Kapitals stammt heute aus öffentlichen Töpfen. Das zeigt, dass die Politik durchaus Maßnahmen ergriffen hat, um hier gegenzusteuern, vor allem in der Frühphase. Das Problem spitzt sich dafür aktuell in der Folgefinanzierung zu: Die ersten Entwicklungsphasen eines Start-ups können meist durch öffentliche Programme finanziert werden – doch wenn es um den nächsten Schritt geht, finden auch gute Unternehmen nur schwer frisches Kapital.
Strascheg: Ich bin seit 1984 im Venture-Bereich tätig und habe gelernt, dass sich der Markt in Wellenbewegungen entwickelt. Als ich Anfang der 1990er-Jahre einen Fonds auflegen wollte, lief ich mir zwei Jahre lang die Hacken wund, bis das notwendige Kapital zusammen war. Grund für die Zurückhaltung der Investoren war die schlechte Performance vieler Venture-Fonds in den 1980er-Jahren. Einige Jahre später zu Zeiten des Internetbooms herrschten sehr günstige Einstiegsbedingungen und mit dem Neuen Markt gab es eine vermeintlich attraktive Exit-Route. Beim Fundraising 1997 mussten wir uns die Taschen zunähen, damit die Investoren nicht noch mehr hineinstopften! Die aktuelle Flaute wurde erneut durch die schwache Performance der Assetklasse in den vergangenen Jahren hervorgerufen. Deswegen müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass die Investoren wieder zufriedener und die Bedingungen besser werden.
Seibold: Bis die Anleger investieren, ist es allerdings – auch bei einem guten Track Record – ein langer Weg. Für viele institutionelle Investoren ist der VC-Markt zu kleinteilig und gleichzeitig der Aufwand einfach zu groß: Ein Investment in einen Venture-Fonds macht genauso viel Arbeit wie ein großer Buyout-Fonds, bringt aber ein vergleichsweise vernachlässigbares Kapitalvolumen. Da scheuen viele zurück. Einige Investoren wie Stiftungen und Versorgungskassen werden zudem durch staatliche Vorgaben daran gehindert, in die Assetklasse zu investieren. Da muss der Gesetzgeber ansetzen.
Kaserer: Hier liegt übrigens auch ein wesentlicher Unterschied zu den USA: Stiftungen investieren dort traditionell sehr stark in Venture Capital, auch aus kulturellen Gründen. Das gilt vor allem für die großen Universitätsstiftungen, die es in Deutschland gar nicht gibt.