Wir brauchen mehr Zeit für die Energiewende!

Nehmen wir also den Strom. Wir haben heute in Deutschland einen Stromverbrauch von 640 TWh (640 Milliarden kWh), 20% davon stammen aus erneuerbaren Energien. 2050 sollen nach dem Energiekonzept der Bundesregierung 80% aus erneuerbaren Energien stammen. Fotovoltaik ist in Deutschland heute noch dreimal so teuer wie konventionell erzeugter Strom, Windenergie doppelt so teuer.

Aber dezentrale und erneuerbare Energien unterliegen nun einmal nicht den Spielregeln von Markt und Wettbewerb. Sie genießen das Privileg des gesetzlichen Einspeisevorrangs und werden mit staatlich garantierten Tarifen gefördert. Das war auch nötig, um den Einstieg in diese Technologien abzusichern. Minister Altmaier hat nun ausgeführt, dass bei ungebremstem Ausbau eine Kostenlawine von 1.000 Mrd. EUR auf uns zukommt. Wir haben mittlerweile 30.000 Megawatt Wind- und 32.000 Megawatt Fotovoltaikkapazität.

Wir fragen uns: Warum in aller Welt müssen wir in einem Land, das eine Sonneneinstrahlung vergleichbar mit der von Alaska aufweist, fast 50% der weltweiten Fotovoltaikkapazität in kürzester Zeit und mit den immer gleichen Technologien verwirklichen? Und warum wollen wir das in den nächsten Jahren auf 52.000 Megawatt ausbauen? Zusammen mit Wind dann mehr als 100.000 Megawatt bei einer Höchstlast in Deutschland von 80.000 Megawatt. Wir werden noch häufiger als heute den Strom ins Ausland entsorgen und Geld drauflegen, damit Holland, Polen, Tschechien ihn uns abnehmen. Das kann doch nicht unser Plan sein!?

Die volatile Welt der Erneuerbaren erfordert einen massiven Leitungsausbau und eine extrem hohe Speicherkapazität. Die Notwendigkeit besteht bereits heute und jetzt. Wenn Sie mich nach Investitionszielen fragen, schauen Sie sich diese Wertschöpfungsketten an.

Natürlich: Der Widerstand vor Ort gegen Hochspannungstrassen ist erheblich. In den letzten sechs Jahren sind im Durchschnitt lediglich 36 Kilometer neue Leitungen pro Jahr erbaut worden, d.h. insgesamt 214 Kilometer von 2005 bis 2011. Sowohl die Deutsche Energieagentur als auch die Übertragungsnetzbetreiber in ihrem Netzentwicklungsplan gehen von rund 4.000 Kilometern neuer Leitungen bis 2020 aus. Zudem brauchen wir Speicherkapazitäten. Wenn man einen Anteil von 80% erneuerbare Energien im System hat, muss man auch eine zehntägige Windflaute überstehen – die etwa zwei- bis dreimal im Jahr vorkommt. Dann bräuchten wir etwa die 230-fache Menge der heutigen Pumpspeicherkapazität.

Natürlich brauchen wir auch neue Speichertechnologien, wie die Elektrolyse von Wasser durch Windstrom (Kosten zurzeit 30 Cent/kWh), oder die Methanisierung (Umsetzung von Wasserstoff zu Methan, Kosten zurzeit 70 Cent/kWh), Druckluftspeicher (20 Cent/kWh), Pumpspeicherkraftwerke 7 Cent/kWh).

Damit ist klar: Wir brauchen mehr Zeit für die Energiewende. Wir müssen kostengünstigeren Erzeugungs-, Verteilungs– und Speichertechnologien die Zeit geben, ihren Marktdurchbruch zu erreichen. Das Subventionieren der Technologien von gestern durch Einspeisevergütungen muss ersetzt werden durch eine massive Förderung von neuen technologischen Lösungen. Der Entwicklungsingenieur, die Start-ups müssen wieder im Vordergrund stehen und nicht mehr die Projektentwickler und Fondbesitzer, die zum hundertsten Mal einen Wind-oder Solarpark wie gehabt ans Netz bringen, ohne sich darum kümmern zu müssen, wann und wohin der Strom eingespeist werden soll. Die wohlfeilen Technologieboni des EEG unterstützen die alten Hüte des letzten Jahrzehnts.