Bisher unterbewertete Wertschöpfer

Derzeit werden die prädiktiven Tests vor allem bei der Behandlung von Krebserkrankungen eingesetzt. Sie gewinnen aber allgemein in der klinischen Forschung und Praxis immer größere Bedeutung, wie die fünfte „Science to Market“-Konferenz der Europäischen Arbeitsgemeinschaft für Pharma Biotechnologie (EAPB) e.V. „Personalized Medicine – Trends in 2013“ in Köln zeigte. Nicht ohne Grund schreiben die deutschen Behörden bereits für 24 verschiedene Wirkstoffe begleitende Tests vor. Dennoch werden Companion Diagnostics in der Kostenerstattung wie normale Diagnostika bewertet und nicht so, wie es ihrem Wertschöpfungsbeitrag entspricht: Als Hebel zur Erhöhung der Therapieeffizienz bei gleichzeitiger Vermeidung von Fehltherapien.

Beispiel: KRAS-Protein

Betrachten wir zum Beispiel das Protein KRAS, einen prädiktiven Biomarker für die Behandlung des fortgeschrittenen Dickdarmkrebses. Mit jährlich rund 1,2 Millionen Erkrankungen ist der Dickdarmkrebs weltweit die dritthäufigste Krebsart. Rund ein Viertel der Patienten befindet sich schon zum Zeitpunkt der Diagnose in einem fortgeschrittenen Stadium. Bis vor wenigen Jahren war ihre medikamentöse Behandlung nur mit verschiedenen Chemotherapien und bescheidenem Erfolg möglich. Zielgerichtete Medikamente, die in spezifische Signalkaskaden des Tumors eingreifen, ergänzen diese Standardtherapien inzwischen so wirksam, dass das Leben der Patienten sehr deutlich verlängert werden kann. Zwei dieser fünf heute verfügbaren Therapien blockieren als Antikörper bestimmte Rezeptoren auf der Zelloberfläche, deren Signale die Zelle zum unkontrollierten Wachstum anregen. KRAS ist ein intrazellulärer Schalter auf diesem Signalweg. Er reagiert jedoch nur in seiner natürlichen Form auf die Rezeptorblockade. Wenn er in mutierter Form vorliegt, spricht er darauf kaum an – der betreffende Patient ist ein „Non-Responder“. Träger der natürlichen KRAS-Form zeigen dagegen eine Ansprechrate von rund 60% auf die Kombinationsbehandlung aus Antikörpern und Chemotherapie. Seit 2008 ist die Untersuchung auf eine KRAS-Mutation bei Patienten mit fortgeschrittenem Dickdarmkrebs vor Beginn einer medikamentösen Therapie von Arzneimittelzulassungsbehörden in aller Welt verbindlich vorgeschrieben. Die beiden Antikörper dürfen nur dann angewandt werden, wenn keine KRAS-Mutation vorliegt. Andernfalls kann der Patient rechtzeitig mit einer für ihn wirksameren Therapie behandelt werden. Die Kostenträger sparen durch die KRAS-Diagnostik allein in Deutschland 115 Mio. EUR jährlich ein.

Großes Einsparpotenzial

Von vergleichbaren Einsparungen durch einen anderen Test berichtete Tim Kievits, Vorsitzender der Personalised Medicine Topic Group des Verbandes Europa Bio, bei der „Science to Market“-Konferenz. Die hohe Wirksamkeit zweier zielgerichteter Therapien gegen Lungenkrebs stellt sich nur bei Patienten ein, die eine bestimmte Mutation aufweisen. Das französische Krebsforschungszentrum gab 1,7 Mio. EUR aus, um 16.724 Lungenkrebspatienten auf diese Mutation zu testen, und fand diese bei 1.724 Patienten. Durch die Nichtbehandlung der 15.000 Patienten, die auf diese Medikamente ohnehin nicht angesprochen hätten, wurden 69 Mio. EUR eingespart. Der Effektivitätsgewinn und das Einsparpotenzial, die diese Tests zu verwirklichen helfen, wird von den Kostenträgern zunehmend anerkannt. In den USA wurde die Vergütung erhöht und in der Schweiz ist sie inzwischen doppelt so hoch wie in Deutschland, wo zum Beispiel der KRAS-Test auf Basis des PCR-Verfahrens zwar prinzipiell erstattungsfähig ist, von den gesetzlichen Krankenkassen aber nur als niedrigpreisiges Routinediagnostikum eingestuft wird. Die Privatkassen wiederum erstatten unabhängig von der angewandten Methode, weswegen die Labore vermehrt auf alte Methoden ausweichen.