Business Angels sind unverzichtbar für die Entstehung von Innovationen und die Start-up-Landschaft in Deutschland. Carsten Rudolph, evobis, und Benedikte Hatz, netzwerk nordbayern, interviewen Angels und erfahren aus der Praxis, was den Engeln Flügel verleiht.
Jeder Business Angel investiert und unterstützt auf seine eigene Art – aber worin sind sich die privaten Investoren einig? Zum Auftakt der Interviewreihe verraten Dr. Benedikte Hatz, Geschäftsführerin des netzwerk nordbayern, und Dr. Carsten Rudolph, Geschäftsführer von evobis, was typisch für Angels ist. Mit den Erfahrungen aus ihren Business Angel-Netzwerken geben sie authentische Einblicke hinter die Kulissen.
VC Magazin: Wie wichtig sind Business Angels heute für die deutsche Start-up-Landschaft?
Rudolph: Oft werden Business Angels für kleine Investments in Höhe von wenigen 10.000 EUR in den ganz frühen Anfangsphasen genannt. Wir sehen – und begrüßen – mittlerweile eine ganz andere Entwicklung und verzeichnen Business Angel Investments in der Größenordnung von einigen 100.000 EUR bis mehreren Millionen, die die Schwäche des deutschen Venture Capital-Marktes zumindest teilweise kompensieren. Dennoch: Der Bedarf für mehr Investitionen in die zweifelsohne vorhandenen Start-ups bleibt.
Hatz: Und Business Angels schließen nicht nur eine Finanzierungslücke. Die Erfahrungen und Kontakte, die sie einbringen, sind echte Wettbewerbsvorteile für junge Unternehmen. Wir empfehlen jedem ambitionierten Start-up, auch in Richtung Business Angel-Finanzierung zu denken.
VC Magazin: Welche Vorteile haben Business Angels von der Einbindung ins Netzwerk?
Rudolph: Bei den Angels stoßen wir auf einen großen Bedarf, gezielt Start-ups vorgeschlagen zu bekommen. Sie wünschen sich einen Filter z.B. für ihren Branchenfokus, aber vor allem auch für die Qualität der Unternehmen. Außerdem sind sie stark daran interessiert, andere private oder institutionelle Investoren kennen zu lernen, für gemeinsame Investments, aber auch um Erfahrungen auszutauschen. Eine weitere Funktion der Netzwerke ist es, dass wir neue Business Angels motivieren, indem wir Zugang zu Start-ups und Begleitung bei den Prozessen anbieten.
VC Magazin: Welche Kapitalausstattung sollte man als Business Angel mitbringen?
Hatz: Man sollte stets im Hinterkopf behalten, dass wir von Risikokapital für Start-ups sprechen – die finanziellen Mittel müssen also auf jeden Fall ausreichend sein. Erstens damit es auch bei einem Fehlschlag des Unternehmens keine Probleme mit dem Vermögen gibt. Und zweitens sollte von vornherein genügend Kapital für mehr als eine Runde vorhanden sein.
Rudolph: Zwar steigen bei stark wachsenden Unternehmen meistens weitere Investoren ein, aber eventuell muss oder möchte der Business Angels auch nachlegen. In der Regel liegen Finanzierungsrunden bei Start-ups im mindestens sechsstelligen Bereich. Wie hoch das Vermögen dann sein muss, hängt stark von der Risikobereitschaft ab.
VC Magazin: Wie funktioniert das Matching zwischen Unternehmen und Business Angels in den Netzwerken?
Hatz: evobis und netzwerk nordbayern bieten Unternehmen, bei denen wir Finanzierungspotenzial sehen, eine enge Begleitung bei der Erarbeitung der Finanzierungsstrategie. Ist das Start-up dann finanzierungsbereit, gibt es mehrere Wege, um es den Business Angels vorzustellen: über die persönliche Ansprache, regelmäßige Infobriefe oder Pitch-Veranstaltungen. Bei der Businessplan-Sichtung oder Terminen zum Kennenlernen, der Prüfung und dem Closing – wenn es gewünscht wird, begleiten wir Start-ups und Business Angels als unabhängige Institution.
VC Magazin: Wie erkennen Sie seriöse Business Angels bzw. wann läuten bei Ihnen die Alarmglocken?
Hatz: Für uns soll ein Business Angel immer liquide Finanzmittel mit ins Unternehmen einbringen. Anteile ausschließlich für Beratungsleistung macht nur im Ausnahmefall Sinn. Daher sollte auch kein Abzug der liquiden Mittel über Beratungsverträge etc. erfolgen. Grundsätzlich muss die Finanzierung so strukturiert sein, dass sie zum Unternehmen passt. Das heißt z.B. dass keine Rückzahlungen gefordert werden, solange das Unternehmen sich noch entwickelt. Vor der Aufnahme eines neuen Business Angels in die Netzwerke führen wir intensive Gespräche mit den “Bewerbern“. Idealerweise gibt es bereits Beteiligungen, und wir können hier Referenzen einholen. Und wir beobachten den Umgang neuer Business Angels mit den kapitalsuchenden Unternehmen durchaus genauer, um Notfalls die Bremse zu ziehen. Das ist jedoch ganz selten notwendig.
VC Magazin: Gibt es „Trends“ für Angel-Investments?
Hatz: Es gibt meist keine eindeutigen Trends in Richtung einer bestimmten Branche – meist ist es wechselhaft, natürlich ist immer Cleantech, Medizintechnik und IT dabei, weil hier auch mit kleineren Beträgen viel bewegt werden kann. Wir sehen bei uns auch einen Trend hin zum kleineren Investment, dafür aber im Syndikat, also im Zusammenschluss mehrerer Investoren. Anfang des Jahres konnten wir beispielsweise für das E-Health-Unternehmen Advanova aus Erlangen ein Syndikat aus gleich fünf Business Angels aus unserem Netzwerk realisieren.
Rudolph: Ich sehe, dass IT und Mobile Start-ups in den letzten Jahren deutlich interessanter geworden sind für Business Angels. Das liegt natürlich an neuen Marktchancen, die sich durch veränderte Technologiestandards aufgetan haben, z.B. die ständige Weiterentwicklung der Smartphones. Außerdem bringen die sehr dynamischen IT-Märkte schneller neue Business Angels hervor, die ihre ersten Unternehmen schon nach relativ kurzer Zeit erfolgreich verkaufen konnten. 2012 wurden über evobis z.B. die Münchener Start-ups Testbirds, Weptun und Crossvertise finanziert. Aber keine Regel ohne Ausnahmen: Gerade „Exoten“ haben bei Angels eher eine Chance als im Venture Capital-Umfeld.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie öffentliche finanzielle Anreize bzw. Förderungen für Business Angels?
Hatz: Wir begrüßen den neuen Investitionszuschuss Wagniskapital sehr. In Frankreich etwa konnte in der Vergangenheit der Markt durch steuerliche Anreize massiv aktiviert werden. Wir erhoffen uns von dem neuen Incentive ähnliche Impulse für Deutschland.
VC Magazin: Danke für das Interview!
Zu den Gesprächspartnern:
Dr. Benedikte Hatz ist Geschäftsführerin des netzwerk nordbayern (www.netzwerk-nordbayern.de), Dr. Carsten Rudolph ist Geschäftsführer der Münchner evobis GmbH(www.evobis.de). In den Business Angel-Netzwerken von evobis und netzwerk nordbayern sind über 150 Privatinvestoren engagiert. Insgesamt wurden 2012 über die bayerischen Finanzierungsnetzwerke rund 40 Mio. EUR Kapital an bayerische Start-ups vermittelt.