VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Ihr Start-up?
Dücker: Die Grundidee hatten wir schon 2006 während des Studiums. Da saßen Sven und ich im ersten Semester in einem völlig überfüllten Hörsaal und dort wurde versucht, uns die Grundlagen der Buchführung zu vermitteln. Da das eher schlecht als recht funktionierte, haben wir zur Klausurvorbereitung angefangen, anhand von Lehrskripten, eigenen Mitschriften und Standard-Literatur unsere eigenen Lernunterlagen zusammen zu stellen. Wir haben diese dann für uns und unsere Kommilitonen online gestellt – in Form eines ganz rudimentären Online-Kurses. Dort konnte man die einzelnen Textseiten aufrufen und Übungen dazu beantworten. Nachdem sich innerhalb kürzester Zeit hunderte von Studenten für den Kurs registriert haben, realisierten wir, dass es in dem Bereich offenbar einen echten Bedarf gibt und gründeten unser erstes Lernportal für die BWL – www.wiwiweb.de. Heute bieten wir Online-Kurse kostenpflichtig zu zahlreichen Themen und unterschiedlichen Zielgruppen an. Hierzu zählen neben wiwiweb.de u.a. www.abiweb.de, wo sich Schüler online auf ihr Abi vorbereiten können oder www.bibukurse.de für angehende Bilanzbuchhalter, einem anspruchsvollen IHK-Abschluss.
VC Magazin: Wie haben Sie die erste Finanzierung Ihrer Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?
Dücker: Zunächst haben wir unsere Gründung neben dem Studium laufen lassen. Da lief die Finanzierung durch die ersten geringen Einnahmen, die wiwiweb.de erwirtschaftete. Zur Ausweitung des Kursangebots und zur Umsetzung von www.abiweb.de, mussten wir uns technisch und personell völlig neu aufstellen. Für die Finanzierung des Vorhabens haben wir uns zunächst für einen KfW-Kredit entschieden – dem sogenannten StartGeld. Da wir aber schnell feststellten, dass das aufgenommene Kapital für die wachsenden Erfordernisse insbesondere in personeller Hinsicht nicht lange ausreichen würde, haben wir uns im Frühjahr 2012 aktiv auf Investorensuche begeben. Dabei konnten wir mit einer überzeugenden Story und einem ausgereiften Businessplan, den wir schon während des Studiums zu unserer Geschäftsidee geschrieben und für den KfW-Kredit überarbeitet hatten, bereits nach etwa drei Gesprächen mit Interessenten mit einem Kapitalgeber zusammen finden.
VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?
Dücker: Wir haben schon während des Studiums erkannt, dass wir da auf eine wirklich interessante Geschäftsidee gestoßen sind. Damals, 2006, war niemand mit einem ähnlichen Konzept am Markt. Nur damals fehlten uns ein wenig das Gespür und das Wissen mit einer derartigen Idee richtig durchzustarten. Und natürlich lag zu diesem Zeitpunkt unser Augenmerk ganz klar auf dem Abschluss des Studiums. Sven hatte dann nach dem Studium zunächst drei Jahre als Steuerberater gearbeitet, bevor er wieder voll mit eingestiegen ist. Uns ist also auch die Angestellten-Perspektive nicht fremd. Heutzutage ist es einfache ein gutes Gefühl, gemeinsam mit einem Team motivierter, fähiger Leute gemeinsame Ideen und Visionen umzusetzen. Diese Form der Selbstverwirklichung findet man glaube ich in keinem Angestelltenverhältnis.
VC Magazin: Wenn Sie auf Ihre bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblicken: Welche Entscheidungen würden Sie erneut treffen?
Dücker: Mit unserem zweiten Portal feiern wir schon ein knappes Jahr nach dem Launch große Erfolge. Der Umsatz, den wir mit den Kursen erzielen, liegt deutlich über der Prognose. Zudem ist das Feedback der User zu dieser neuartigen Form des Lernens durchweg sehr positiv. Dennoch hat uns die Entwicklung von abiweb.de sehr gefordert, so haben wir über 1,5 Jahre die technischen und inhaltlichen Voraussetzungen für die Kurse erarbeitet. Das ist für ein junges Unternehmen eine lange Zeit und erfordert einiges an Durchhaltevermögen, gerade auch in finanzieller Hinsicht – denn in dieser Zeit haben wir nur investiert und keinen einzigen Euro verdient. Bis vor dem Launch konnten wir auch nicht völlig sicher sein, dass unser Plan aufgeht und sich Schüler für das neue Angebot interessieren.
VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?
Dücker: Glücklicherweise haben wir in den ersten Jahren der Gründung bis heute retrospektiv keine großen Fehler gemacht, die man als schmerzhafte Erfahrungen bezeichnen könnte. Aus unserer Sicht glücklicherweise, denn nach unserer Wahrnehmung sind schwerwiegende unternehmerische Fehler in den ersten Jahren nach der Gründung nicht selten fatal für ein junges Start-up. Sicherlich haben wir aber anfangs ein paar Fehler gemacht, aus denen wir aber gelernt haben. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist zum Beispiel die Vermarktungsstrategie für die Online-Kurse. Früher haben wir viel Geld für Offline-Werbung ausgegeben. Heute vermarkten wir unser Kursangebot fast ausschließlich online. Die Erkenntnis: Wir haben ein webbasiertes Produkt, also bewerben wir es auch webbasiert, kam uns erst nach und nach. Daher werden die Themen Suchmaschinenoptimierung, Werbung und Social Media-Einsatz auch immer wichtigere Werkzeuge für uns, um unser Kursangebot nachhaltig bekannter zu machen.
VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen hierzulande der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?
Dücker: Wir haben in Siegen studiert und auch dort gegründet. Zu den Förderbedingungen vor Ort können wir nur sagen, dass wir in ganz wesentlichem Umfang seitens der Universität bei unserer Gründung unterstützt wurden. Viele in der Region haben großes Interesse daran, eine Gründerszene, die es bisher eigentlich nicht gibt, aufzubauen. Eine lebhafte Gründerszene ist zumeist Garant für Innovation und die Schaffung von Arbeitsplätzen – und da wird förderpolitisch in Siegen wirklich eine Menge angeschoben – davon profitieren auch wir. Generell ist unser Eindruck, dass Start-ups in strukturschwachen Regionen wie etwa in Teilen Ost-Deutschlands leichter an staatliche Förderungen kommen, als solche in den starken Regionen. Da wird aus unserer Sicht zum Teil gefördert, um zu fördern – im Zentrum steht da nicht immer die Plausibilität der Geschäftsidee. Hierfür gibt es auch im Bildungsbereich ein paar Beispiele, die an dieser Stelle unerwähnt bleiben sollen. Wenn man sich bei diesen Akteuren die Bilanzen anschaut, dann drängt sich schon die Frage auf, wie sich das Geschäftsmodell jemals selbst tragen soll.
VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?
Dücker: Wir machen uns nicht viel aus Personenkult. Auch haben wir kein Start-up, weil wir immer schon Internet-Entrepreneure werden wollten, oder weil es sich gut anhört, davon zu erzählen. Ganz im Gegenteil: Es gibt für das, was wir machen, einige Fähigkeiten, die notwendige Voraussetzung dafür sind, ein gutes Produkt zu entwickeln und dieses erfolgreich zu vermarkten. Und da draußen gibt es ein paar Leute, die in ihrem Werdegang bereits aufgezeigt haben, wie man das macht. Sich mit diesen Personen auf Konferenzen und Messen auszutauschen, genau zuzuhören und die richtigen Hinweise für einen selbst mitzunehmen – das ist sinnvoll und hat uns in der Vergangenheit auch schon viel gebracht.
VC Magazin: Welche drei bis fünf Apps für Smartphones sind die wichtigsten Helferlein in Ihrem Alltag?
Dücker: Keine.
VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Ihr Start-up und Ihre unternehmerische Zukunft aus?
Dücker: Momentan stehen für uns zwei Ziele im Mittelpunkt: Zum einen die inhaltliche Konzeption neuer Lernplattformen und damit die Erschließung neuer Zielgruppen und zum anderen die weitere technische Optimierung des Kurssystems für maximale Usability und innovative Kursfunktionen. Wir haben eine Liste mit zahlreichen neuen Features, die wir in die Kurse integrieren wollen. Damit werden wir die Kurse noch benutzerfreundlicher und das Lernen noch effektiver machen. Diese Liste ist sehr lang und viele der Ideen liegen uns sehr am Herzen. Mit Blick auf unsere wirtschaftlichen Kennzahlen erwarten wir in den kommenden zwölf Monaten erneut eine Umsatzsteigerung von über 100% – wie bereits in den Jahren zuvor. Die demnächst startenden Plattformen marketingkurs.de und ingenieurkurse.de spielen dabei eine wichtige Rolle. Besonders der Aufbau des englischsprachigen CFA-Portals, über das wir Online-Kurse dann erstmals international vertreiben werden, ist eine große Chance und Herausforderung in den kommenden zwölf Monaten.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Zum Gesprächspartner:
Julius Dücker studierte zunächst Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht an der Universität Siegen. Während des Studiums gründete er gemeinsam mit Sven Hoberock die examio GmbH (www.examio.de), mit der sie heute mehrere Online-Lernportale betreiben.