VC Magazin: In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren sicher viel getan – aber kann man schon von Gründerwelle sprechen?
Maire: Ich sehe durchaus eine neue Gründerzeit. Berlin ist ein noch junger Gründerstandort, aber ich bin davon überzeugt, dass die historisch einmalige Chance besteht, ein Umfeld wie in London und New York aufzubauen. Diese industriearme Stadt hat nun einmal gar keine andere Möglichkeit, als etwas Neues zu schaffen. In den kommenden fünf Jahren werden hier mindestens zehn Unternehmen mit einer Bewertung von 1 Mrd. EUR und mehr entstehen, da bin ich sicher. Wir haben hier alles – motivierte Talente, das passende Umfeld – die einzige Zutat, die noch fehlt, ist Kapital.
VC Magazin: Viele Investoren wollen erfolgreiche Berliner Exits sehen, bevor sie investieren…
Maire: Man muss vorsichtig sein mit den Erwartungen, die man an die Berliner Szene heranträgt. Der Standort verfügt derzeit erst über 20% der Mittel, die London oder New York zur Verfügung haben. Das Ecosystem bräuchte eigentlich fünfmal mehr Geld, um ähnlich Früchte zu tragen. Und die meisten vielversprechenden Unternehmen wie Soundcloud, ResearchGate, Zalando oder Delivery Hero sind noch sehr jung. Wer sich beklagt, dass es bislang noch keine großen Exits gegeben hat, hat schlicht keine Erfahrung.
VC Magazin: Was muss passieren, um mehr Venture Capital anzulocken?
Maire: Es ist problematisch, dass Unternehmertum und Venture Capital in der Öffentlichkeit kaum als positiver Wirtschaftsfaktor wahrgenommen werden. Der Impact, den Unternehmertum auf die Volkswirtschaft hat, ist kaum im Bewusstsein verankert. Stattdessen müssen sich Gründer immer noch rechtfertigen. Die Zukunft hat auch keine Lobby. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten. Ich glaube aber, dass sich die Lage auch ein Stück weit selbst entschärfen wird. Es wird immer mehr Exits geben, die Bewertungen werden weiter steigen, und das wird immer mehr Investoren anlocken. In fünf bis zehn Jahren wird sich das Vakuum auf der Kapitalseite schließen.
VC Magazin: Danke für das Gespräch!
Zum Gesprächspartner:
Christophe Maire ist Geschäftsführer der Start-up-Schmiede Atlantic Internet, die Internet-Unternehmen aufbaut. Zu den aktuellen Investments gehören u.a. textr, SoundCloud oder barcoo. Maire hat gate5 gegründet, es 2006 erfolgreich an Nokia verkauft und seitdem in zahlreiche Start-ups investiert hat, darunter Brands4Friends, StudiVZ, Plista, Barcoo und SoundCloud.