VC Magazin: BAND und BAE widmeten dem Thema Business Angels-Forschung einen ganzen Kongress. Wo steht die Forschung heute?
Günther: Wir stehen ganz am Anfang. Wo in welchem Ausmaß zum Themenfeld Business Angels-Investments geforscht wird, darüber ist nur wenig bekannt. Hinsichtlich der Anzahl der aktiven Business Angels, dem getätigten Investitionsvolumen, der Investitionshöhe je Investment oder der durchschnittlichen Haltedauer von Beteiligungen bestehen sehr unterschiedliche Schätzungen. Auch die Rahmenbedingungen, die Investitionen von Business Angels in Start-ups begünstigen, sind weitgehend unerforscht. Diese fehlende Markttransparenz ist nicht allein ein deutsches Problem. Europaweit sind nur wenige Forschungsarbeiten und belastbare Statistiken über die Struktur der Business Angels-Märkte vorhanden.
VC Magazin: Warum ist es überhaupt so schwer, an belegbare Daten zu kommen und welche Defizite sehen Sie im Besonderen?
Günther: Eines der zentralen Probleme bei der Erforschung des Business Angels-Marktes ergibt sich aus der Tatsache, dass nur ein kleiner Teil des – ohnehin informellen – Marktes „sichtbar“ ist. Dabei handelt es sich vor allem um das von den Business Angels-Netzwerken strukturierte Marktsegment. Sie agieren öffentlich, kennen die ihnen angeschlossenen Business Angels. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass auch die Akteure im sichtbaren Markt nicht immer bereit sind, Auskunft über ihr Investitionsverhalten zu geben. Business Angels agieren weithin im privaten Raum, individuell und von Deal zu Deal unterschiedlich. Von daher sind die zu erhebenden Daten extrem sensibel und nur schwer zu verallgemeinern. Noch weitaus schwieriger aber ist die Analyse des „unsichtbaren“ Teils des Business Angels-Marktes, also jener Angel-Investoren, die im Verborgenen, in ihren privaten Netzwerken, ihre Beteiligungen eingehen und sehr bewusst damit nicht an die Öffentlichkeit gehen. Marktbeobachter gehen davon aus, dass dieses Segment den weitaus größten Marktanteil hat. Angesichts dieser Marktkonstellation sind Methodenfragen eines der zentralen Themen der Angel-Forscher. Gibt es Instrumente, eine Kombination aus Forschungsmethoden, die Unsichtbares erkennbar machen? Europaweit werden unterschiedliche Zugänge zum Markt erprobt und in ihrer Reichweite analysiert, allerdings ohne dass bisher anerkannte wissenschaftliche Standards gefunden worden wären.
VC Magazin: In Deutschland und Europa hat die Politik inzwischen auf Forderungen und Wünsche von Business Angels reagiert. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
Günther: Bundesregierung und Bundestag haben in der vergangenen Legislaturperiode mit dem Investitionszuschuss Wagniskapital, der Mitfinanzierung des European Angels Funds (EAF), auch mit dem Beirat für digitale Wirtschaft im Bundeswirtschaftsministerium Wichtiges für den Business Angels-Markt sowie die Start-up-Szene in Deutschland bewegt. Auch konnten Überlegungen verhindert werden, Beteiligungserträge aus Streubesitz im Inland zu besteuern. Der aktuelle Koalitionsvertrag definiert jedoch keine konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Business Angels. Es werden eher allgemeine Ziele genannt, wie etwa das Ziel, den Standort Deutschland als Investitionsstandort international attraktiv zu machen. Wie das im Einzelnen umgesetzt werden soll und welche operationalen Ziele bis wann erreicht werden sollen, wird im Koalitionsvertrag nicht festgelegt. Gleichwohl ist konkreter Handlungsbedarf auszumachen.