VC Magazin: Sie beobachten die Start-up-Szene in Berlin und Deutschland aus einem internationalen Blickwinkel. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein?
Ramm: Gerade die Berliner Szene hat sich in den letzten Jahren ungemein entwickelt und sich einen Ruf als Technologiehub und Start-up-Zentrum erworben. Auch in den USA hat man das bemerkt, vor allem die jüngsten großen Venture Capital-Runden und die signifikanten Exits haben aufhorchen lassen. Die Herausforderung für den deutschen Markt besteht in den nächsten 24 Monaten darin, das Interesse, das weltweit geweckt wurde, umzuwandeln in Deals, zu wachsen und die nächste Generation von Technologie-Businesses aufzubauen. Genau vor dieser Herausforderung standen übrigens auch einmal Städte wie New York, Boston oder San Francisco.
VC Magazin: Wie stark interessieren sich angelsächsische Venture-Investoren für den europäischen Markt?
Remm: Sehr. Wir arbeiten mit einigen amerikanischen und westeuropäischen Venture Capital-Gesellschaften zusammen, und sie alle bemühen sich aktiv um den europäischen Markt. Hauptsächlich blicken sie auf Berlin und London, aber auch gelegentlich auf Budapest. In Europa braucht es aber mehr Player in der Frühphase, besonders in der Inkubationsphase brauchen wir gerade in Deutschland mehr Fonds, die dabei helfen, die Firmen auf das nächste Level zu bringen. Damit mehr amerikanische Investoren einsteigen, muss es mehr große B-und C-Runden geben.
VC Magazin: Deutsche Venture-Investoren ihrerseits schauen sich verstärkt nach Chancen im Ausland um. Earlybird hat beispielsweise einen Fonds speziell für Beteiligungen in der Türkei und Osteuropa aufgelegt. Können Sie uns einen Überblick über den türkischen VC-Markt geben?
Ismen: Der Markt ist in Bewegung und verändert sich seit zwei bis drei Jahren. Es tummeln sich etwa 40 Fonds auf dem Markt, drei bis vier große Venture-Fonds dominieren im Technologiebereich und machen mehr als zehn Deals im Jahr. Viele in der Türkei aktive Fonds kommen übrigens aus den Golfstaaten. Zudem gibt es einige Venture-Plattformen und Business Angels-Netzwerke, die sich sehr gut entwickeln. Viele arbeiten auch an einheitlichen Vertragswerken, so dass Deals schneller umgesetzt werden können. Die Regierung unterstützt die Bemühungen von Angels durch Steuervergünstigungen, sie hat außerdem einen Venture-Fonds gelauncht. Die meisten türkischen Unternehmen fallen in die Kategorie kleinere und mittlere Unternehmen, der Markt hat also für Investoren viel Potenzial. Allerdings ist es sehr schwierig, gute Deals ausfindig zu machen, und die Transaktionskosten sind sehr hoch, vor allem wenn man keine Berater direkt vor Ort hat. Bei einer Dealgröße kleiner 10 Mio. EUR sind die Kosten für viele Käufer aus dem Ausland zu hoch. Diese Hindernisse müssen wir noch überwinden.
VC Magazin: Werden die politischen Unruhen in der Türkei die Investitionsbereitschaft ausländischer Player beeinträchtigen?
Ismen: Ja und nein. Im Moment hängen sicherlich Nebelschwaden über dem Markt, und die werden sich auch in den nächsten Monaten nicht so schnell verziehen. Doch langfristig gesehen überwiegen die Chancen: Die Türkei hat neben dem Kosovo und Albanien eine der jüngsten Bevölkerungen in Europa. Sie hat eine große Volkswirtschaft mit großem Konsum. Wer also in die richtigen Industrien investiert, kann mittel- und langfristig viel Geld verdienen. Kurzfristig ist jedoch Vorsicht geboten. Der Wechselkurs schwankt und macht Deals teurer, das wirkt sich natürlich auf die Investitionsfreude aus.
VC Magazin: Danke für das Gespräch!
Shawn Atkinson, David Ramm und Tolga Ismen sind Partner der Kanzlei Edwards Wildman und beraten schwerpunktmäßig Klienten im Bereich Private Equity, Venture Capital und M&A.