Trotz gewohnt launischem Frankfurter Wetter fanden sich fünf Top-Vertreter der deutschen Digital-Finanzdienstleistungsbranche im neuen main incubator der Commerzbank zusammen, um einen Ausblick auf Zukunft und Herausforderungen des Bankings zu wagen. Die Expertenrunde stand dem Moderatorenteam des VentureCapital Magazins Rede und Antwort zu den wichtigsten Themen der Branche: Innovationsschwäche der Traditionsbanken, finanzrechtliche Hürden für junge Start-ups und vor allem innovative Möglichkeiten, die den Nachwuchs-Finanzunternehmen einen Vorsprung gegenüber den vermeintlichen „Dinosauriern“ des Bankgeschäfts verleihen.
Am Diskussionstisch saßen neben Christian Hoppe (vom Mit-Gastgeber Main Incubator, www.main-incubator.com) FinTech-Größen wie Matthias Kröner (Fidor Bank, www.fidor.de), Alexander Artopé (Smava, Online-Kreditvergleichsportal, www.smava.de), Jonas Piela (Avuba, www.avuba.de) und Sebastian Diemer (Kreditech, www.kreditech.com). Die Investorenseite wurde von Serial Entrepreneur und Investor Felix Haas vertreten. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Manuel Koelman (Chairman Exec I/O, execio.co) sowie Cynthia Castritius.
VC Magazin: Meine Herren, die Commerzbank hat jetzt den Main Incubator gestartet, um der verstaubten deutschen Banking-Branche einige neue Ideen zuzuführen – trifft das den Kern?
Hoppe (main incubator): Die Finanzbranche wird oft auch als Dinosaurier bezeichnet. Lange am Markt zu existieren macht einen nicht automatisch zu einer sterbenden Spezies, sondern zeigt, dass man in der Vergangenheit einiges richtig gemacht haben muss und sich immer wieder neu erfinden kann. Neue, frische Ideen zu produzieren, zu provozieren, zu finanzieren und gleichzeitig mit Know-how zu unterstützen, ist in Zeiten disruptiver Entwicklungen im Bankwesen von entscheidender Bedeutung. Und das ist der Weg, den wir gehen. Vor allem das Know-how über z.B. die Bankenregulatorik ist oftmals entscheidend für Start-ups im FinTech-Bereich. Hier bieten wir einen absoluten Mehrwert für junge Unternehmen.
Kröner (Fidor Bank): Ich stimme der grundsätzlichen Einschätzung von Herrn Hoppe zu. Es mag jedoch sein, dass wir bei der Bewertung der einzelnen Marktteilnehmer zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Fakt ist, dass deutsche Banken – ebenfalls in aller Allgemeinheit – im Vergleich zu anderen Branchen in Deutschland, aber auch im Vergleich mit anderen Banken im Ausland in Sachen Innovation die rote Laterne in der Hand halten. Einzig unsere deutsche Regulierung kommt im Ausland gut an und ist dort eine Art „Exportschlager“.
Piela (Avuba): Allgemein betrachtet ist FinTech ein Bastelwort wie „Mobile“ oder „Internet 2.0“. Vor sieben, acht Jahren hat jeder gesagt, das sei total sexy, ohne zu definieren, was Internet 2.0 eigentlich ist. So gab es dann auch mehrere Versuche im Bereich Mobile oder eben Internet 2.0, die nicht funktioniert haben. Bei so etwas wie FinTech befinden wir uns in einer Phase, in der wir sehr viele Themen sehen, sehr viele Geschäftsmodelle, sehr viele Ansätze, sehr viele sinnvolle Innovationen, aber die wir trotzdem nicht umsetzen werden am Ende des Tages.
Haas (Investor): Wir sollten nicht vergessen, dass der klassische Offline-Retailer auch davon profitiert, wenn über Amazon oder andere Online-Marktplätze viele Dinge verkauft werden. Denn der sitzt jetzt nicht mehr rund um die Uhr hinter Kassierkassen im Markt, sondern verbringt vielleicht die Hälfte seiner Zeit damit, seine Waren bei Amazon oder anderen abzusetzen. Solch ein komplementäres Wirken sehe ich auch im FinTech-Bereich.
Diemer (Kreditech): Ganz genau. Ob neue oder alte Industrie, das verschwimmt heute mehr und mehr. Nur der Kundennutzen ist das, was unter dem Strich zählt. Der muss stimmen. Derjenige, der nicht befriedigte Bedürfnisse adressiert oder besser macht, der wird zu den Gewinnern zählen. Wer es weniger gut beherrscht, der verliert Marktanteile oder gewinnt zumindest keine. Kundenbedürfnisse haben sich bereits jetzt verändert, 76% aller Kunden hätten gerne ein breiteres Onlineangebot ihrer Bank. Tendenz steigend.