M&A-Kolumne von Dr. Michael Drill, Lincoln International

Die deutsche Wirtschaft ist auf dem russischen Markt mittlerweile sehr präsent; mehr als 6.000 inländische Unternehmen verfügen in den GUS-Staaten über eigene Niederlassungen und Betriebsstätten. Viele deutsche Unternehmen haben in den letzten Jahren russische Produktionsstandorte aufgebaut oder mittels Akquisitionen erhebliche Investitionen getätigt:

·         Seit Glasnost und Perestroika belaufen sich die kumulierten deutschen Direktinvestitionen in Russland auf rund 23 Mrd. EUR. Deutschland befindet sich damit unter den größten ausländischen Investoren. Gleichzeitig zeichnen sich die deutschen Investitionen durch eine besonders starke Präsenz mittelständischer Unternehmen aus.

·         Alleine die DAX- und MDAX-Konzerne haben in den letzten Jahren über 100 Akquisitionen und Joint Ventures in Russland mit einem gesamten Volumen von etwa 10 Mrd. EUR getätigt. Hierzu zählen Industrie- und Pharmakonzerne wie Bayer, Daimler, E.ON, Evonik, Fresenius, Linde, Siemens oder Stada. Daneben haben sich auch Finanzdienstleister wie Deutsche Bank, Commerzbank, Allianz oder der Versicherungskonzern Talanx mit prominenten Zukäufen Erfolg versprechend in der GUS-Region positioniert.

Eine weitere Eskalation des Konflikts um die Ukraine könnte für die russische Wirtschaft weitreichende Konsequenzen haben. Nach Einschätzung der Weltbank könnten Handelssanktionen des Westens nebst Reaktionen aus Russland für das Jahr 2014 zu einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1 bis 2% führen. Russland wäre dann vielleicht geneigt, sich auf ein kurzfristiges Krisenmanagement zu verlegen und die nötigen Strukturreformen weiter zu verzögern. Allerdings sind sich Wirtschaftsexperten auch darüber einig, dass die mittelfristige überdurchschnittliche Wachstumsdynamik der Volkswirtschaft intakt ist, die über riesige wertvolle Rohstoffvorkommen und die weltweit größte Bodenfläche verfügt.

Russland und die angrenzenden GUS-Staaten bieten aufgrund des immensen verbleibenden Wachstumspotenzials dieser Region auch künftig attraktive Akquisitionsmöglichkeiten für deutsche Firmen. Wer sich heute nachhaltig in Russland positionieren und nicht weitere Marktanteile an asiatische Wettbewerber verlieren möchte, die keinen Handelssanktionen unterliegen, sollte frühzeitig nach passenden Zielunternehmen Umschau halten. Die Verfügbarkeit geeigneter mittelgroßer Targets zu überschaubaren Einstiegspreisen und in Wertbandbreiten zwischen 25 und 250 Mio. EUR hat sich nicht zuletzt infolge des schwachen Rubels deutlich verbessert.

Im aktuellen ökonomischen und politischen Umfeld ist jedoch besondere Vorsicht geboten, da eine unvermeidbare vorübergehende Konjunktureintrübung, Sanktionen und verbleibende Rechtsunsicherheiten überdurchschnittliche Risiken darstellen.