VC Magazin: Sie sichten über das Jahr verteilt einige hundert Start-ups. Was braucht es, was müssen die Gründer mitbringen, um von Ihnen eingeladen zu werden?
Deckert: Wir haben einen formalisierten, mehrstufigen Prozess definiert und sortieren von Stufe zu Stufe aus. Wir klären beispielsweise Fragen nach der Qualität des Teams, dem Wettbewerbsvorteil oder dem Markt. Einige Themen schauen wir uns gar nicht mehr an, wie zum Beispiel klassische E-Commerce-Modelle. Auch beim Thema Mobile sind wir vorsichtig geworden. Gute Chancen haben vor allem Entrepreneure, die ihren Markt und ihr Produkt so gut kennen und einschätzen können, dass sie im Zweifelsfall auch ohne externe Unterstützung bestehen und reüssieren würden. Wichtig ist hierbei die intrinsische Motivation wirklich eigenständig Vollgas geben zu wollen, unabhängig davon, welche Impulse aus dem Investorenkreis kommen.
VC Magazin: Wie gut sind die Series A-Investoren untereinander vernetzt?
Heilemann: Fast noch besser als es die Business Angel sind. Es gibt praktisch keinen Series A-Investor in Deutschland, den wir nicht persönlich kennen und den wir nicht mehrmals im Jahr treffen. Das liegt auch daran, dass wir selbst wiederum an den Fonds anderer Series A-Investoren beteiligt sind. Die meisten versuchen sinnvollerweise durch Rücksprache mit anderen Investoren und Syndizierung von Finanzierungsrunden, ihre Risiken zu minimieren. Die Erfolgschancen erhöhen sich in der Tat für alle Beteiligten, wenn sie mit anderen erfolgreichen Investoren zusammenarbeiten.
VC Magazin: Findet in Deutschland politikseitig ausreichend Unterstützung für die Investorenlandschaft statt?
Heilemann: Es hat sich in den letzten Jahren viel getan. Mit Rösler hatten wir den ersten Minister, der sich überhaupt für das Thema Start-ups interessierte und Imagepflege betrieben hat. Vom öffentlichkeitswirksamen Effekt einmal abgesehen, möchte ich ihm seine Ernsthaftigkeit nicht absprechen. Wir sehen jetzt in der neuen Legislatur zwar keine 1:1 Fortsetzung, aber die Bundesregierung fängt nicht wieder bei Null an. Die Bereitschaft der Politiker, Vorschläge und Feedback aus der Praxis einzuholen, ist gewachsen. Wir persönlich pflegen einen engen Kontakt zu einigen netzpolitisch versierten Mitgliedern des Deutschen Bundestags, die wissen möchten, wie der Standort Deutschland mit Tel Aviv, London oder dem Valley gleichziehen kann. Es ist zwar zweifelsfrei noch ein weiter Weg bis das Thema „Stärkung des digitalen Standorts“ in der breiten Masse der Politiker angekommen ist, wir sehen aber gute Ansätze, den Markt nach vorne zu bringen.
VC Magazin: Wenn Sie Wünsche frei hätten, was würden Sie sich von der Politik wünschen, um den Markt zu stärken?
Heilemann: Was wir aktuell brauchen ist weniger ein Neuer Markt, sondern vielmehr ein Ausbau der bestehenden staatlich geförderten Programme wie beispielsweise des HTGF oder der IBB. Wichtig ist außerdem eine Liberalisierung der Anlagerestriktionen für Lebensversicherungen und Pensionskassen. In den USA und in Frankreich dürfen diese einen Teil des verwalteten Kapitals in Venture Capital-Fonds und Digital-Unternehmen investieren. In Deutschland hingegen fehlt diese Kapitalquelle. Auch die Umsatzsteuerpflicht von Management Fees bei Venture Capital-Fonds müsste entfallen, um das Ökosystem weiter zu beflügeln und den Wettbewerbsnachteil des Standortes Deutschland zu beseitigen. Und das Arbeitsrecht müsste flexibilisiert werden, um Start-ups schnellere Reaktionen auf Entwicklungen in ihren Märkten zu ermöglichen und vor allem IT-Fachkräfte schneller und unkomplizierter ins Land holen zu können.
Zu den Gesprächspartnern:
Dr. Fabian Heilemann, Partner von Heilemann Ventures, ist ein Serien-Unternehmer und Investor aus Berlin. Er gründete Heilemann Ventures nach dem Verkauf von DailyDeal an Google im September 2011. Seitdem unterstützt er Unternehmen der Digital-Industrie als Early-Stage-Investor. Parallel hat Fabian Heilemann gemeinsam mit seinem Bruder Ferry Heilemann den Company-Builder Sky & Sand aufgebaut. Patrice Deckert ist Principal bei Heilemann Ventures und war maßgeblich an zahlreichen Investments sowie an der mehrheitlichen Übernahme des iPad-Kassensystemanbieters pepperbill.com durch den Company-Builder Sky & Sand beteiligt. Vor seiner Zeit bei Heilemann Ventures war er in verschiedenen Positionen als Investmentbanker bei Sal. Oppenheim, Merrill Lynch und Hauck & Aufhäuser tätig.