Interview mit Dr. Ralf Schnell, Siemens Venture Capital

VC Magazin: Herr Dr. Schnell, Sie sind seit 1997 im Venture Capital-Business tätig. Wie hat sich die deutsche Corporate Venture Capital-Szene (CVC) verändert?
Schnell: In der Phase des Internetbooms 1999 bis 2000 gab es zuerst einen regelrechten CVC-Hype, in dem das Verhältnis von CVC zum gesamten Venture Capital-Volumen stark anstiegen ist. Darauf folgten die Ernüchterungsphase und die Einstellung einiger CVC-Aktivitäten. In den letzten Jahren sehen wir wieder einen Belebungstrend. Die Venture Capital-Industrie ist allgemein im Aufwind, auch in Deutschland. Die Qualität steigt und im CVC gibt es neue Player und Rückkehrer. Auch die Skepsis der institutionellen Investoren schwindet. Sie haben in den letzten zwei Jahren erkannt, dass es interessant ist, wieder in dieses Segment zu investieren.

VC Magazin: Bislang haben Sie vermehrt auf Later-Stage Investments gesetzt, der neue Fonds „Industry of the Future“ investiert in frühe Unternehmensphasen. Wie kam es zu der Entscheidung?
Schnell: In den Branchen, in denen Siemens aktiv ist, nimmt die Digitalisierung einen immer höheren Stellenwert ein. Wie man unter anderem an der Agenda „Industrie 4.0“ sieht, gewinnen Softwareanwendungen zunehmend an Bedeutung. Da sich z. B. Softwarefirmen rasend schnell entwickeln, ergab sich für uns die Notwendigkeit, früher in junge Unternehmen einzusteigen. Diese Entscheidung wurde stark von internen Interessen beeinflusst. Zwei Investments wurden aus dem neuen Fonds bereits getätigt.

VC Magazin: Wie groß sind die Tickets des neuen Fonds?
Schnell:
Die Frühphase birgt ein höheres Risiko, daher investieren wir kleinere Tickets in mehrere Unternehmen. Die bisherigen Ticketgrößen lagen zwischen 250.000 EUR und 1 Mio. EUR. Bei guter Entwicklung der Unternehmen sind wir allerdings bereit, weitere Finanzierungen folgen zu lassen. Generell sind wir aktuell an mehr als 30 Unternehmen weltweit beteiligt. Seit Beginn unseres Geschäftsjahres im Oktober 2014 haben wir schon mehrere Folgeinvestitionen getätigt und uns an fünf neuen Unternehmen beteiligt. 

VC Magazin: Wie identifizieren Sie interessante Start-ups?
Schnell:
Wir erreichen die Start-ups in erster Linie über unser internes und externes Netzwerk, zum Teil auch über Cold Calls. Darüber hinaus kommen viele Gründer aufgrund unseres Namens von selbst auf uns zu. In ausgewählten Themenfeldern screenen wir systematisch die Märkte. Im Rahmen einer eigenen Konferenz zum Thema „The Future of In Vitro Diagnostics“ in Palo Alto haben wir zum Beispiel den Markt nach passenden Start-ups aus diesem Bereich analysiert. 40 davon haben wir gemeinsam mit Experten und anderen Investoren eingeladen, um uns ein detaillierteres Bild zu verschaffen. 

VC Magazins: Corporate Venture Capitalisten verfolgen finanzielle und strategische Ziele. Wie hoch ist der Anteil der Unternehmen in Ihrem Portfolio, bei denen Sie strategische Ziele verfolgen?
Schnell:
Wir investieren in Partner und zukünftige Partner mit dem Konzept, sowohl die Partner als auch die Partnerschaft durch unser Equity-Investment zu stärken. Unser Interesse liegt nicht nur darin, Geld zu geben, sondern Kooperationen einzugehen. Finanziert werden die Venture Aktivitäten durch Siemens Financial Services (SFS) und durch die operativen Einheiten des Konzerns. SFS hat klar finanzorientierte Ziele, die operativen Einheiten haben geschäftsorientierte Ziele. Von daher kann man nicht strikt in finanzielle und strategische Ziele unterteilen. Grundsätzlich wollen wir mit den besten Unternehmen kooperieren, und diese sind generell auch gute Finanzinvestments.