VC Magazin: Also bleibt meist nur der Gang ins Ausland, um große Finanzierungsrunden abzuschließen?
Diemer: Für Unternehmen wie Auctionata, Delivery Hero oder uns führt kein Weg an angelsächsischen Investoren vorbei. Das birgt aber wiederum ganz andere Herausforderungen. In Deutschland fragt der Investor: Wann seid ihr Break-even? Was ist die Runrate? Sprich: Wie viel Geld gebt ihr monatlich aus? – Minimalprinzip. Der Amerikaner würde fragen: Wie groß kann das werden und wieso glaubt ihr, die Richtigen zu sein? – Maximalprinzip. Das Venture Capital-Modell funktioniert in den USA anders, und Herausforderung Nr. 1 ist es, die Vision des Unternehmens anzupassen. Zweiter Punkt ist international zu denken: In Schweden überlegen ein Klarna oder ein Spotify ab Tag eins, wie ihr Unternehmen international erfolgreich werden kann. Auf der anderen Seite kann ein amerikanischer Unternehmer in den USA ein Milliardenunternehmen aufbauen, ohne sich mit Zeitzonen und ausländischen Währungen herumschlagen zu müssen. Deutschland liegt genau in der Mitte: Viele Gründer erliegen dem Gedanken, dass der Markt für den Anfang groß genug ist – er ist allerdings nicht groß genug, um ein Ökosystem beflügelndes Unternehmen aufzubauen. Der Appell hier: Denke mehr wie der Schwede, Deutschland ist nicht die USA.
VC Magazin: Kreditech hat in drei Fremdkapitalrunden mit Kreos Capital 27 Mio. USD eingesammelt. Was hat den Ausschlag gegeben, Fremdkapital statt Eigenkapital zu wählen?
Diemer: Da wir selbst Kredite vergeben, machte es mehr Sinn, diese über Venture Debts als über Equity zu finanzieren. Kreditvergabe wird durch Fremdkapital finanziert, und Equity wird für neue Länder, neue Produkte und neue Mitarbeiter eingesetzt. Es hängt also davon ab, wie sehr ein Geschäftsmodell auf Working Capital angewiesen ist. Bei Marktplätzen wären Venture Debt-Deals nicht zielführend, bei E-Commerce beispielsweise machen sie sehr viel Sinn.
VC: Gehen mit Fremdkapital von Investorenseite andere Voraussetzungen einher als bei Eigenkapitalfinanzierungen?
Diemer: Bei jedem Venture Debt-Deal lässt sich der Investor als Sicherheit praktisch „die Schlüssel zum Unternehmen“ übergeben. Das ist eine andere Risikostruktur als bei Eigenkapital, dieser Tatsache muss man sich bewusst sein. Es muss ein Businessmodell sein, bei dem über die IP (Technik, Marke, Domain etc.) hinaus liquide Sicherheiten vorhanden sind. Das Geschäftsmodell muss margenträchtig mit starkem Cashflow sein, ansonsten den Leverage lieber gering halten.
VC: Fintech ist aktuell ein großes Thema. Wie weit sind aus Ihrer Sicht deutsche Investoren in diesem Gebiet?
Diemer: Verschiedene Industriesektoren haben die Digitalisierung unterschiedlich stark durchlaufen. Bei Print hat nun auch der Letzte verstanden, dass es die Branche in ihrer jetzigen Form nicht mehr lange geben wird. So ist es auch im E-Commerce: Vor fünf Jahren hat Göertz Zalando noch ausgelacht, mittlerweile sieht das anders aus. Im Bankensegment hat sich dieser Wandel noch nicht vollzogen, einerseits weil es ein stark reglementierter Markt ist, andererseits weil er sehr kapitalintensiv ist. Dadurch wird das Thema erst so langsam heiß. Als Kreditech anfing, war der Begriff Fintech noch neu und erklärungsbedürftig. Im Valley wurde schon verstanden, dass Fintech das nächste große Ding ist, und unfassbar viel Kapital fließt in Unternehmen wie Lending Club, Prosper oder Lendart. In Deutschland haben die Ersten die Bedeutung von Fintech verstanden – zuallererst mal wieder die Samwer-Brüder –, ansonsten ist es bei deutschen Investoren noch nicht wirklich angekommen. Ich glaube aber, dass sich das in den nächsten Jahren deutlich ändern wird.