Nachgefragt bei Prof. Dr. Heinrich von Pierer, Pierer Consulting

VC Magazin: Welche Forderungen haben Sie, um eine bessere Versorgung mit Wagniskapital von deutschen Jungunternehmen sicherzustellen?
von Pierer: Wir brauchen mehr Investoren, die sich bei innovativen Unternehmen engagieren. Wichtigster Treiber sind die Renditeaussichten und ein attraktives Umfeld, in dem sich diese Unternehmen entwickeln und einen internationalen Auftritt erreichen können. Letzten Endes spielt für Kapitalgeber ein erfolgreicher Exit eine bedeutende Rolle, um das eingesetzte Kapital zurückzuerhalten und es nach Möglichkeit zu vermehren. Hierzulande mangelt es an der Bereitstellung von hinreichendem Kapital, um die Möglichkeiten, die in Deutschland mit innovativen Unternehmen vorhanden sind, ausreichend zu nutzen.

VC Magazin: Das ist eine Henne-Ei-Situation: Einerseits gibt es zu wenig erfolgreiche Exits, um entsprechende Geldgeber anzuziehen, andererseits zu wenig Kapital, um große Exits zu gestalten.
von Pierer: Es ist ein Teufelskreis, ohne vernünftige Exits oder auch IPOs werden Investoren nicht angelockt, da vernünftige Renditen schwer erreichbar sind. Dies führt letztendlich zu einer noch geringeren Kapitalbereitstellung. Wir haben hierzulande auch noch ein gesellschaftliche Problem: Wenn in Deutschland ein innovativer Unternehmer, der etwas wagt, scheitert, erhält er ein soziales Stigma des Scheiterns. In den USA heißt es: „You are a great guy, try it again. You have learnt from your failure.” Es ist schwierig, diese Mentalität in Deutschland zu verändern. Hinzu kommt, dass wir mit Business Angels nicht gerade reich gesegnet sind: Man sagt, dass es allein im Silicon Valley 20.000 Business Angels gibt. In ganz Deutschland sind es vielleicht 2.000. In der Koalitionsvereinbarung heißt es: „Wir wollen die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig gestalten und Deutschland als Fondsstandort attraktiv machen.“ In der ersten Zeit der Regierung konzentrierten sich die Politiker auf andere Themen, und wir warten nun auf die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung. Bislang scheint das Leben für Wagniskapitalfinanzierer eher schwieriger geworden zu sein. 

VC Magazin: Sie haben die Idee aufgegriffen, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass Pensionskassen und Versicherungen 1% ihres Kapitals in dem Venture Capital-Bereich anlegen. Die Politik hat bei dieser Idee große Vorbehalte. Wie stichhaltig sind diese?
von Pierer: Ich habe großes Verständnis dafür, dass man die Pensionen und Renten nicht gefährden will. Andererseits muss man sehen, dass in den USA im Jahr 2013 30 Mrd. USD in innovative Unternehmen gelenkt worden sind. Am Ende hat es über 50 IPOs gegeben – in Deutschland keinen einzigen. Man muss vorsichtig sein und darf keine übermäßigen Risiken eingehen, aber es ist wichtig, bessere Abschreibungsmöglichkeiten für Investoren zu eröffnen. Das scheitert bisher auch an Vorbehalten des Finanzministeriums. Wenn man eine derart wichtige Aussage in die Koalitionsvereinbarungen schreibt, darf man die Umsetzung nicht beliebig herauszögern.