VC Magazin: Wie würden sie denn den Innovationsgrad deutscher Gründungen aktuell beurteilen? Auch im Vergleich zu Start-ups aus dem Silicon Valley.
Thümmler: Insbesondere im Bereich Software kommen sehr viele innovative Ideen aus Deutschland, Europa oder der Schweiz. Das Silicon Valley ist natürlich DAS Ökosystem, wenn es um Gründungen im IT-Bereich geht. Wie erfolgreich Unternehmen sind, hängt aber nicht nur von der Innovation ab, sondern auch von der Execution. Man braucht umsetzungsstarke und aggressive Leute, denn sonst können keine signifikanten Unternehmen entstehen. Die Execution ist mindestens genau wichtig wie die Innovationen.
VC Magazin: Neben Execution brauchen Innovationen auch Kapital. Wie „mutig“ sind aus Ihrer Sicht deutsche Venture Capital-Gesellschaften, wenn es um die Finanzierung innovativer Start-ups geht?
Thümmler: Vorweg muss man sagen, dass wir hierzulande keine bzw. so gut wie keine Venture Capital-Industrie haben. Die deutschen Frühphasenfinanzierer kann man fast an zwei Händen abzählen – das ist für so ein großes Land mit besonders starker Ökonomie ein Armutszeugnis. Da es sich bei den meisten Venture Capital-Fonds hierzulande um Fonds der zweiten oder dritten Generation handelt – nicht wie in den USA, wo schon die sechste, siebte und achte Generation läuft – stehen die Kapitalbeteiligungsgesellschaften unter starkem Erfolgsdruck. Das heißt, sie müssen sehr schnell Erfolge vorweisen. Deswegen investieren sie lieber in Modelle, die sich bereits bewährt haben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir keine europäische Venture Capital-Industrie haben. Es gibt britische, deutsche oder französische Venture Capital-Gesellschaften, aber sie alle agieren nicht europäisch, sondern investieren hauptsächlich „vor ihrer Haustüre“. In den USA ist die Szene wesentlich konzentrierter, was ein klarer Wettbewerbsvorteil ist.
VC Magazin: Vor 15 Jahren war die deutsche Venture Capital-Szene deutlich größer als heute und ist fulminant zusammengebroch. Wie viel Kapital ist „gesund“ für ein Land wie Deutschland?
Thümmler: Die Szene war damals zu unerfahren und ist ins offene Messer gelaufen. Die Gründe für den Zusammenbruch waren zu viel Euphorie, eine zu hohe Risikobereitschaft und der wahrscheinlich wichtigste Faktor, die Gier. Alle Statistiken belegen, dass wir in Deutschland viel mehr Wagniskapital, viel mehr Venture Capital-Teams und Fonds brauchen. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere innovativen Unternehmen in Wettbewerb mit US-Start-ups treten können, weil sie sich nicht mit Finanzierungsrunden von 1–3 Mio. EUR herumquälen müssen, sondern eben mit 15 oder 30 Mio. EUR finanziert sind.
VC Magazin: Business Angels, Family Offices und Corporates gewinnen bei der Finanzierung junger Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Wie nachhaltig schätzen sie solche Engagements ein?
Thümmler: Die Hoffnung ist natürlich, dass es sich um eine nachhaltige Entwicklung handelt. Wie die Börse, die sich auch in Zyklen bewegt, auf zehn oder 20 Jahre aber insgesamt eine positive Entwicklung zeigt. So ähnlich ist es in der Beteiligungsbranche auch. Es gilt jetzt, diese Zyklen auszuhalten und sich dem Thema mit Beständigkeit zu widmen. Wenn man als Anleger über einen Zeitraum von zehn, 20 oder 30 Jahren in Venture Capital-Fonds investiert, dann haben sie danach nachgewiesenermaßen eine bessere Performance als die meisten anderen Assetklassen. Wer aber immer wieder ein- und aussteigt, kann Glück oder Pech haben – bzw. den richtigen oder den falschen Zyklus erwischen.