VC Magazin: Mit Zalando und Rocket Internet gab es hierzulande die ersten Börsengänge deutscher Internetunternehmen seit Langem. Wie stellt sich die Exit-Situation momentan dar?
Thümmler: Zunächst muss man sagen, dass ein IPO nicht unbedingt ein Exit ist. Meistens geht es um Kapitalaufnahme, um die weitere zukünftige Expansion und Globalisierung weiter voranzutreiben. Sicherlich ist nicht ausgeschlossen, dass dann das eine oder andere Unternehmen später auch wieder von der Börse genommen und durch ein Public Offer übernommen wird. Dadurch kommt vielleicht eine zusätzliche Fantasie in den Markt. Abgesehen davon gibt es natürlich immer die Möglichkeit eines Trade Sales.
VC Magazin: Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang das Bewertungsniveau deutscher Start-ups ein?
Thümmler: Tendenziell sind die Bewertungen gestiegen und werden das auch in Zukunft weiter tun. Das ist das klassische Wechselspiel von Angebot und Nachfrage. Aktuell nimmt die Nachfrage zu, immer mehr Investoren werden auf das Thema aufmerksam und beschließen, sich strategisch zu engagieren. Im Vergleich zu den amerikanischen oder den israelischen sind die deutschen Technologieunternehmen nach wie vor günstig bewertet.
VC Magazin: Ein Blick in die Zukunft: Welche der aktuellen Trends haben Ihrer Meinung nach das Potenzial, in zehn Jahren noch am Markt zu sein?
Thümmler: Diese Frage muss man differenziert betrachten. Es gibt Trends wie beispielsweise FinTech, die aufgrund der schieren Segmentgröße in ihrer Industrie mittelfristig sehr viel Potenzial haben. Dazu kommt, dass die Finanzbranche, also Banken, Versicherungen usw., bei Weitem nicht innovativ genug ist, als dass sie sich gegen die neuen aufkommenden Player erwehren könnte. Daneben gibt es noch die Megatrends, z.B. im Bereich der Nanotechnologie, über die vergleichsweise wenig gesprochen wird. Sie entwickeln sich Jahr für Jahr weiter – zum Teil über zehn bis zwanzig Jahre – und bringen sehr interessante Ergebnisse hervor. Vielleicht sogar wahre Gamechanger, die vielleicht unser Leben verändern werden. Neben Nanotechnologie ist das Segment der künstlichen Intelligenz ein interessanter Bereich. Durch Big Data und neue Speicherkapazitäten kommt frischer Schwung in dieses Feld.
VC Magazin: Welche sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Stellschrauben für eine aktive Gründer- und Venture Capital-Landschaft in Deutschland?
Thümmler: Hier hätte die Politik noch einige Trümpfe in der Hand. Lobend erwähnen muss man Initiativen wie die KfW, den High-Tech Gründerfonds und die Landesfördergesellschaften. Aber es ist dringend erforderlich, dass die Politik sich noch stärker mit dem Thema Gründungen und deren Finanzierung beschäftigt und begreift, dass durch einfache Umstellungen, z.B. im Steuersystem, bei Investments in Venture Capital oder der Besteuerung der Fondsmanager, sehr viel Potenzial freigesetzt werden könnte.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Thümmler.
Andreas Thümmler ist Gründer und CEO von Corporate Finance Partners. Die Beratungsgesellschaft mit Schwerpunkt auf M&A und Venture Capital hat bis heute über 300 Transaktionen im Technologiesektor begleitet.