Nach wie vor gehört das deutsche Verkehrswegenetz zu den besten der Welt. Dies belegt nicht zuletzt die vom Weltwirtschaftsforum im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie zur globalen Wettbewerbsfähigkeit. Dort heißt es: „Hinsichtlich der Qualität seiner Infrastruktur belegt Deutschland einen hervorragenden zweiten Platz. Insbesondere verfügt es über erstklassige Einrichtungen bei allen Verkehrsträgern.“ Dieses hohe Qualitätsniveau für die Zukunft zu sichern, gehört zu den wichtigsten Aufgaben einer vorausschauenden Verkehrspolitik. Die Herausforderungen werden dabei nicht geringer. Angesichts der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende muss Mobilität deutlich energieeffizienter und klimafreundlicher werden. Vor allem aber müssen wir uns bereits heute auf den zunehmenden Verkehr von morgen einstellen. So wird der Güterverkehr bis zum Jahr 2025 gegenüber 2004 um 70% wachsen. Mit dem höheren Verkehrsaufkommen geht ein weiter ansteigender Investitionsbedarf für Erhaltung und Ausbau unserer Infrastruktur einher.
Strukturelle Unterfinanzierung des Verkehrshaushalts
Angesichts begrenzter öffentlicher Haushalte sind dies keine einfachen Aufgaben. Das hat uns nicht zuletzt die Ende 2011 von der Länderverkehrsministerkonferenz eingesetzte „Kommission zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ erneut vor Augen geführt. In ihrem im April 2013 vorgestellten Abschlussbericht hat die Kommission unter der Leitung des ehemaligen Verkehrsministers von Sachsen-Anhalt Karl-Heinz Daehre für die nächsten 15 Jahre eine jährliche Finanzierungslücke bei Bund, Ländern und Kommunen von 7,2 Mrd. EUR ausgemacht. Es ist unabdingbar, dass aus dieser Analyse Konsequenzen gezogen wurden. Denn dieser Befund bestätigt erneut, dass eine politische Diskussion über die künftige Gestaltung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung unumgänglich ist. Schon zu Beginn meiner Amtszeit habe ich die entsprechende gesellschaftliche und politische Debatte darüber angestoßen, was uns leistungsfähige Verkehrswege wert sein müssen. Denn Fakt ist: Unsere Infrastruktur wurde über zu lange Zeit deutlich vernachlässigt.
Verstetigung der Finanzspritzen unumgänglich
Bei der Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel konnten wir erste wichtige Erfolge erzielen. So ist es uns gelungen, über die jährlichen Haushaltsansätze in Höhe von rund 10 Mrd. EUR hinaus für die Jahre 2012 und 2013 insgesamt 1,75 Mrd. EUR zusätzlich zu generieren. Aber auch diese kräftigen Finanzspritzen aus den Infrastrukturbeschleunigungsprogrammen I und II haben uns nur kurzzeitig Luft verschafft. Um unsere Infrastruktur auch nachhaltig zu stärken, ist eine Verstetigung dieser Mittel unumgänglich. Das deutsche Bundesfernstraßennetz befindet sich schon heute in vielen Bereichen an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Hoch frequentierte Streckenabschnitte – besonders der Autobahnen – verzeichnen vielfach Kapazitätsengpässe mit starken Einschränkungen des Verkehrsflusses. Zudem erfordert die hohe Belastung durch den Straßengüterverkehr die Verstärkung und Erneuerung der zahlreichen in die Jahre gekommenen Brückenbauwerke.
Erhalt vor Neubau
Aufgrund des hohen Sanierungsbedarfs wird die Bundesregierung bei den zukünftigen Verkehrsinvestitionen klare Prioritäten setzen müssen. Wir kommen nicht umhin, Erhaltungsmaßnahmen im neuen Bundesverkehrswegeplan 2015 eindeutig Vorrang vor Neubauprojekten einzuräumen. Bei den Aus- und Neubaumaßnahmen müssen wir uns darauf konzentrieren, Engpässe zu beseitigen und Lücken zu schließen. Ergebnis muss eine realistische und tragfähige Langzeitplanung zur Infrastrukturentwicklung sein, die auch finanziell verlässlich zu unterlegen ist. Diese Herausforderung gilt es vor dem Hintergrund der dringend notwendigen Haushaltskonsolidierung und der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse zu bewältigen. Zudem stehen die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in harter Konkurrenz zu anderen wichtigen Ausgaben des Staates.
Alternative Finanzierungsformen
Angesichts des angestauten Investitionsbedarfs und des strukturell unterfinanzierten Verkehrshaushalts kommen wir nicht umhin, anzuerkennen: Die klassisch althergebrachte Haushaltsfinanzierung hat ihre Grenzen erreicht. Um die Leistungsfähigkeit unseres Verkehrssystems und somit unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen wir meiner festen Überzeugung nach alternative Finanzierungsformen für unseren Infrastrukturbedarf entwickeln. Diese Einschätzung teilt auch die bereits erwähnte „Kommission zur Zukunft der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“, die eine ganze Reihe von Vorschlägen für neue Finanzierungsinstrumente präsentiert hat. Aktuell beschäftigt sich eine Folgekommission unter Leitung meines Amtsvorgängers Kurt Bodewig mit der Konkretisierung. Die Vorschläge erwarten wir für den Herbst dieses Jahres. Unabhängig von diesen Überlegungen nutzen wir bereits heute diverse Instrumente, um die Haushaltsabhängigkeit der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung zu reduzieren und mehrjährige Planungssicherheit zu schaffen. Ein wichtiger Schritt hierzu ist die Herstellung von Finanzierungskreisläufen. Seit 2011 fließt zum Beispiel das gesamte verfügbare Mautaufkommen aus der entfernungsabhängigen Maut für schwere Lkw in unsere Bundesfernstraßen. 2012 lagen die Mauteinnahmen insgesamt bei 4,36 Mrd. EUR. Vergleichbares wollen wir auch im Bereich Schiene voranbringen.
Öffentlich-private Partnerschaften
Eine weitere wichtige Ergänzung zur klassischen Haushaltsfinanzierung von Infrastrukturprojekten sind öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP). Ich bin der festen Überzeugung, dass Investitionen von privater Seite in unsere Infrastruktur ebenso legitim und lohnenswert sein sollten wie in andere Finanzanlagen – sowohl für die Anleger als auch für die öffentlichen Auftraggeber. Erste positive Erfahrungen mit ÖPP-Projekten im Autobahnbereich haben uns gezeigt, dass Projekte schneller und effizienter als mit konventionellen Mitteln umgesetzt werden können. Zudem versetzen öffentlich-private Partnerschaften den öffentlichen Auftraggeber angesichts des beschriebenen Finanzierungsdilemmas überhaupt erst in die Lage, dringende Projekte in Angriff zu nehmen.
Sachliche Diskussion
Zurzeit werden knapp 190 ÖPP-Projekte auf den Ebenen von Bund, Ländern und Kommunen mit einem Investitionsvolumen von knapp 7,4 Mrd. EUR umgesetzt. Darüber hinaus entwickeln wir derzeit ÖPP-Projekte, bei denen die Vergütung der privaten Modellpartner in Abhängigkeit von der verkehrlichen Verfügbarkeit der Vertragsstrecke erfolgt. Öffentlich-private Partnerschaften sind inzwischen also ergänzend im Bereich der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung des Bundes angekommen und etabliert. Ich werde mich auch künftig dafür einsetzen, dass dieses Thema sowie weitere Überlegungen zu neuen Formen von Infrastrukturinvestments weniger unter ideologischen Gesichtspunkten, sondern vielmehr sachlich diskutiert werden. Im Kern sollte es uns allen darum gehen, die bestmögliche Infrastruktur auf die effizienteste Art und Weise zu erhalten und auszubauen – für einen starken Wirtschaftsstandort und ein mobiles Deutschland.
Zum Autor:
Dr. Peter Ramsauer, MdB, ist Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.