Die Life Sciences-Branche in den USA hat sich im letzten Jahr zu einer wahren Boom-Branche entwickelt. Begünstigt von den extrem niedrigen Zinsen einerseits, den nach wie vor hervorragenden Wachstumsaussichten im Pharma- und Biotechnologiemarkt und den sehr hohen Trade Sale Multiples für Life Sciences Start-ups andererseits, wurden im Jahre 2014 106 IPOs getätigt (global 133), die den Firmen 9,3 Mrd. USD (global 11 Mrd. USD) in die Kassen spülten. Somit entfielen 80% der weltweit getätigten IPOs im Life Sciences-Bereich auf die USA. Der Börsenkurs der Firmen lag zum Jahresende im Durchschnitt um 29,3% über dem Ausgabekurs. Wie der Grafik zu entnehmen ist, hat sich die Zahl der IPOs in den USA in den letzten drei Jahren mehr als versechsfacht. Damit ist die Börse in den USA zu einem wichtigen Finanzierungsinstrument der Life Sciences Start-ups geworden. Doch auch im Venture Capital-Bereich konnte mit 12,9 Mrd. USD (9,8 Mrd. USD im Jahre 2013) ein neuer Rekordbetrag eingeworben werden, um in Life Sciences Start-ups zu investieren. Die Investitionen in Life Sciences Start-ups und die daraus resultierenden neuen Wirkstoffe und Plattformtechnologien zahlen sich letztlich auch durch die sehr gute Performance der amerikanischen Pharma- und Biotechunternehmen an den Börsen aus. Der Wertzuwachs des NASDAQ Biotechnology Index im Jahre 2014 mit 34,1% schlägt den Wertzuwachs des Dow Jones Industrial Average mit einem Plus von 7,5% um Längen. Erinnert sei auch an die größte Firmenübernahme im Life Sciences-Sektor im letzten Jahr, bei der Actavis die Firma Allergan für 66 Mrd. USD übernommen hat – wobei der Kaufpreis partiell über Steuereinsparungen finanziert werden konnte.
Anderes Bild in Deutschland
Die finanzielle Lage für Life Sciences Start-ups in Deutschland sieht nach wie vor nicht rosig aus. Der letzte IPO eines Life Sciences-Unternehmens in Deutschland stammt aus dem Jahre 2006. Erfreulicherweise haben aber drei deutsche Life Sciences Start-ups im Jahre 2014 den Gang an die NASDAQ gewagt: die Innocoll im Juli (51 Mio. USD), die Affimed im September (56 Mio. USD) und die Pieris mit einem Revised Merger im Dezember (12,3 Mio. USD). Hinzu kommt noch der Börsengang der Probiodrug, die im Oktober an der Amsterdamer Euronext 22,5 Mio. EUR einwerben konnte. Es ist zu hoffen, dass von diesen erfolgreichen Börsengängen eine Signalwirkung für die deutschen Life Sciences Start-ups ausgeht, denn auf eine signifikante Unterstützung durch Venture Capital aus Deutschland ist nicht zu hoffen. Laut BVK-Statistik wurden im ersten Halbjahr 2014 82,2 Mio. EUR in Life Sciences Start-ups investiert, was 30 Mio. EUR weniger sind als im ersten Halbjahr 2013. Die großen Hoffnungen an eine neue Start-up-Börse – auch bekannt unter dem Namen Markt 2.0 – sind in einer „vorbörslichen Plattform“ an der Frankfurter Börse geendet. Ob dadurch die IPO-Aktivitäten in Deutschland einen positiven Auftrieb erhalten, bleibt abzuwarten. Lobenswert sicherlich die Initiative „1% für die Zukunft“, die, durch Verzicht auf die Kapitalertragssteuer, 1% des Vermögens von Unternehmen, institutionellen und Privatanlegern in Investments in zertifizierte Unternehmen (KMUs mit Hightech-/High Risk-Komponente) insentivieren möchte oder die Vorschläge der „Allianz für Venture Capital“ unter Federführung des BVK, die über ein breit gefächertes Maßnahmenpaket mehr Venture Capital in Deutschland einwerben möchte. Inwieweit diese Initiativen in die Praxis umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Da die Bundesregierung, trotz großspuriger Ankündigungen im Koalitionsvertrag zur Stärkung des „Innovations- und Gründungsstandorts Deutschland“, bis dato keine Taten folgen ließ, will der BVK nun selbst das Venture Capital-Thema in Form eines Artikelgesetzes vorantreiben. Man darf gespannt sein, wie und wann dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt wird.
Fazit
Die Hoffnung zu Beginn des Jahres 2014, das der amerikanische Life Sciences-Sektor abgegrast ist und sich die amerikanischen Investoren verstärkt dem europäischen/deutschen Life Sciences-Sektor zuwenden, hat die Entwicklung der IPOs in den USA eindrucksvoll widerlegt. Ermutigend ist, dass sich Life Sciences-Start-ups in Deutschland wieder verstärkt mit dem Thema IPO beschäftigen und dann den Schritt in Richtung amerikanischer oder europäischer Kapitalmarkt wagen. Solange wir hier in Deutschland keine besseren Rahmenbedingungen für Venture Capital schaffen, wird dies auch der richtige Schritt in der nächsten Zukunft bleiben.
Dr. Michael Thiel ist Partner bei der Sanemus AG einer in München ansässigen, auf den Bereich Life Science fokussierten Management Consulting und Corporate Finance Beratung. Zuvor war er 25 Jahre in leitenden Funktionen in globalen Pharmaunternehmen wie Bayer, MSD und Daiichi Sankyo Europe in den Bereichen operatives und strategisches Marketing, Business Development und Licensing tätig.