Nach Stationen bei Novartis, IBM, Microsoft und Avaya – größtenteils im Top Management – den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen ist nicht alltäglich. Jürgen Gallmann hat es trotzdem getan und das mit Erfolg: Im Jahr 2011 verkaufte er die von ihm gegründete visionapp AG erfolgreich an ein amerikanisches Software-Unternehmen. Seither engagiert er sich als Business Angel und unterstütz junge Unternehmen mit seinem Netzwerk, Kapital und auch operativ.
Rudolph: Seit wann sind Sie als Business Angel tätig?
Gallmann: Ich bin seit 2011 als Business Angel tätig, nachdem ich mein eigenes Unternehmen kurz zuvor verkauft habe.
Rudolph: Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Gallmann: Ich hatte schon während meiner Zeit in der Corporate-Welt ein Faible für die Entwicklung und Erprobung von neuen Geschäftsmodellen und habe während meiner Zeit bei Microsoft die Start-up-Initiative „Unternimm was“ ins Leben gerufen. Ich bin außerdem davon überzeugt, dass wir in Deutschland großes Unternehmerpotenzial mit großem Innovationsvermögen haben, welches ich gerne fördern möchte und dabei behilflich sein will, internationale Champions zu formen. Deutschland hat das Zeug dazu auch bei digitalen Geschäftsmodellen eine weltweit führende Rolle einzunehmen, auch wenn das nicht von heute auf morgen passieren wird.
Rudolph: Wie viele Investments sind Sie bereits eingegangen? Wie viele Exits konnten Sie realisieren?
Gallmann: Ich habe bis jetzt fünf Investments getätigt, prüfe gerade zwei weitere und habe einen Exit gemacht.
Rudolph: Was war Ihr erfolgreichstes Investments bislang?
Gallmann: Mein bislang erfolgreichstes Investment ist eGym. Das Unternehmen entwickelt digital-gesteuerte Fitnessgeräte und macht Fitness zum Lifestyle mit einer neuen faszinierenden Online-Welt. Ich bin 2012 eingestiegen, das Unternehmen hatte damals noch 15 Mitarbeiter. Bis Ende 2014 hat sich die Anzahl der Mitarbeiter verzehnfacht, der Umsatz und Auftragseingang mehr als verzwölffacht. Mittlerweile werden die Produkte auch im Europäischen Ausland verkauft und der Sprung in den amerikanischen Markt seht kurz vor der Tür. Dies ist ein hervorragendes Beispiel für technologische Kompetenz und vertrieblicher Stärke.
Rudolph: Welche (Charakter-)Eigenschaften muss ein Business Angel mitbringen?
Gallmann: Geduld, Toleranz, Risikobereitschaft, Lust am Experimentieren (mit der Gefahr des Scheiterns) und Freude am Unternehmertum. Außerdem braucht man ein gutes Gespür für Menschen und Charaktere, da man immer in „Köpfe“ investiert. Im Rahmen der Prüfung möglicher Investments lernt man viele Menschen kennen, die leider auch viele „Märchen“ erzählen und man muss selbst entscheiden, was und wem man glaubt.
Rudolph: Welche Aufgaben eines Angels bringen Ihnen Spaß und welche empfinden Sie als lästig?
Gallmann: Großen Spaß bereiten mir die Unterstützung der Gründer durch meine Erfahrung, mein internationales Netzwerk oder die Entwicklung von Geschäfts- und Monitarisierungsmodellen. Was ich immer wieder als sehr lästig empfinde ist der ganze Papierkrieg bei der Erstellung der Term Sheets, Beteiligungsverträge und dergleichen, verbunden mit vielen Gesprächen mit Rechtsanwälten.
Rudolph: In welche Unternehmertypen investieren Sie besonders gern?
Gallmann: Ich investiere gerne in Unternehmer, die wissen, dass eine große Vision nur über einen erfolgreichen Vertrieb in die Realität umgesetzt werden kann. Außerdem suche ich „Welteroberer“, die Freude an internationaler Expansion und Brand Building haben und dabei gerne neue Wege gehen.
Rudolph: Können Sie sich vorstellen, auch im operativen Geschäft des Start-ups einzuspringen?
Gallmann: Ja, das praktiziere ich schon über meine neue Firma theGrowthfactory, wo wir jungen Unternehmen neben Beratung, Kapital, Training und Sourcing mit temporärer operativer Unterstützung dabei behilflich sind ihre Wachstumsziele zu erreichen. Unsere Unterstützung konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Optimierung der Vertriebs-Performance, weil hier meistens das größte Manko junger Unternehmen liegt.
Rudolph: Vielen Dank für das Interview, Herr Gallmann.
Jürgen Gallmann hat über 25 Jahre Erfahrung in Top Management-Positionen und als Entrepreneur in der IT und Kommunikations-Industrie. Heute ist er Managing Partner bei seinem Investitionsvehikel Cumulus Ventures sowie bei theGrowthfactory. Dazu ist er Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU), München, am Lehrstuhl für Betriebswirtschaft, Wirtschafts-Informatik und Neue Medien. Er ist außerdem Advisor im Beirat des größten europäischen Inkubators UnternehmerTUM, München und Kuratoriums-Mitglied bei der Gesellschaft zur Förderung des Forschungstransfers, Bad Vilbel.