Warnung vor Überhitzung
Dr. Michael Riemenschneider von Reimann Investors ist im Bereich der Finanz-Start-ups momentan „eher zurückhaltend“. Der Markt sei noch zu sehr in Bewegung. Und es drohe eine Überhitzung: „Die Beliebtheit eines Sektors oder Themas führt leicht zu Fehlallokationen und späterer Ernüchterung und Enttäuschung bei Investoren und gleichermaßen bei den finanzierten Unternehmen.“ Reimann Investors hat seine 2008 eingegangene Beteiligung an der Sofort AG im vergangenen Jahr an die schwedische Klarna AB verkauft – und gleichzeitig in Klarna investiert. Entstanden ist so eine große europäische Payment-Gruppe. Bei der Finanzierung liegt der Schwerpunkt auf Working Capital und Absatzfinanzierung, „typischen Engpässen bei stark wachsenden Unternehmen, vor allem im E-Commerce“, so Riemenschneider.
Crowdfunding als Alternative?
Crowdfunding als Finanzierungsinstrument für Fintech-Unternehmen sieht Riemenschneider kritisch: „Hier geht es zumeist um das Geld von Konsumenten, Vertrauen und Zuverlässigkeit spielen eine große Rolle. Ob ein Unternehmen zuverlässig und vertrauensvoll ist, hängt auch wesentlich von den Gesellschaftern ab. Sie sorgen in der Wachstumsphase am Ende für die Stabilität. Dass dies durch Crowdfunding erreicht werden kann, wage ich zu bezweifeln.“ Auch Earlybird-Partner Brandis ist skeptisch: Der Schwarm finde neben den wenigen guten Investments auch viele nicht so gute: „Bei diesen werden Investoren Geld verlieren. Und das wird sich herumsprechen und mittelfristig die Perspektive, mittels Crowdfunding Geld einzuwerben, negativ beeinflussen.“
Gemischte Finanzierungsquellen
Friedrich A. Neuman, Berliner Serienunternehmer und zusammen mit Marius Schulze an der Spitze des Company Builders Makers, hat einen sechsstelligen Betrag in die Fintech-Company Cashboard investiert. Das Start-up, das Privatanlegern die Möglichkeit bietet, ihr Kapital online anzulegen und dieses zentral zu verwalten, hatte 2012 und 2013 schon insgesamt 450.000 EUR über die Crowdfunding-Plattform Seedmatch als partiarisches Nachrangdarlehen eingesammelt. Als Teilnehmer an der vierten Klasse des ProSiebenSat.1-Accelerators hat Cashboard außerdem einen Firmenanteil von 5% an die ProSiebenSat.1-Gruppe abgetreten. Damit nicht genug. In den nächsten Monaten soll die erste Venture Capital-Runde mit mehreren interessierten Investoren, darunter namhafte Business Angels und institutionelle Geldgeber, abgeschlossen werden. Neuman sieht einen solchen Finanzierungsmix, der sich aus mehreren, sehr unterschiedlichen Quellen speist, unproblematisch. Zwar seien beispielsweise die Anlagezeithorizonte der Geldgeber nicht immer deckungsgleich, „aber das behindert unsere langfristig ausgerichtete Strategie nicht“. Für Company Builder sei das ein „klassisches Finanzierungsmodell“. Der Geldgeber ist überzeugt, dass sein Fintech-„Kind“ Cashboard „in spätestens zwei Jahren“ schwarze Zahlen schreiben wird. Das liege auch daran, dass man das richtige Gründungsteam am Start habe: „Bei allen Engagements sind für uns die handelnden Personen das A und O.“ Übrigens: Gerne verweist Neuman darauf, dass die Konten der Cashboard-Kunden von einer der ältesten Direktbank Deutschlands verwaltet werden, von der Augsburger Aktienbank. Fintech meets Old Economy.
Fazit
Fintech ist das Zauberwort, das die Venture Capital-Szene momentan elektrisiert. Der Run auf die heißesten Kandidaten wird anhalten. Erfahrene Kapitalgeber aber gehen mit Bedacht vor. Sie suchen nach den „Perlen“ in der jungen Branche. Und dabei spielt – eine alte Venture Capital-Weisheit – neben dem Geschäftsmodell vor allem das Gründerteam eine entscheidende Rolle.