In der Praxis stellt sich die Situation nämlich anders dar. So verhandelten wir jüngst die Übernahme eines hervorragend positionierten deutschen Dienstleistungsunternehmens für einen US-amerikanischen Mandanten. Die Preisverhandlungen verliefen über Monate außerordentlich schleppend, da die Vorstellungen von Verkäufer und Käufer nur schwer unter einen Hut zu bringen waren. Die Unterschiede lagen bei ca. einem EBIT-Multiple, etwa 15% vom Transaktionswert. Die Gespräche entspannten sich erst durch die besagte Kursentwicklung zugunsten des Dollar. Der Unterschied in den Preisvorstellungen zwischen Käufer und Verkäufer konnte so überbrückt und sogar überkompensiert werden. Ohne Zutun der EZB und der Schweizer Nationalbank hätte es also keinen Deal gegeben.
Das Beispiel zeigt deutlich, dass Akquisitionen aus dem Dollar-, Pfund- oder Schweizer Franken-Raum derzeit einen klaren Vorteil gegenüber hiesigen Mitbietern um ein Target haben. Entsprechend können wir uns hierzulande auf einen Run aus diesen Ländern einstellen. Für exportorientierte Unternehmen kommt hinzu, dass sich die Wettbewerbssituation außerhalb des Euroraums um ebenfalls bis zu 20% verbessert hat. Das dürfte sich bereits kurzfristig in den Gewinn- und Verlustrechnungen deutscher Unternehmen niederschlagen. Zu den höheren Multiples bei der Unternehmensbewertung kommt dann noch die verbesserte Ertragslage mit einem erhöhten EBIT.
Vor dem Hintergrund eines Altzeittiefs bei den Zinsen, das die Finanzierung von Transaktionen zusätzlich attraktiv macht, bieten sich dem Betrachter der momentanen M&A-Szenerie Blicke in geradezu paradiesische Zustände. Ceteris paribus müsste sich in den kommenden Monaten ein Boom auf den einschlägigen Märkten abzeichnen. Niemals zuvor waren so viele Komponenten mit Einfluss auf den Abschluss einer Transaktion gleichzeitig so günstig wie heute. Der Einigungsrahmen für den Abschluss eines Unternehmenskaufs ist so breit aufgestellt, dass es bei rationalem Verhalten der Beteiligten kaum finanzielle Hürden für den Einigungsprozess geben dürfte, wenn sämtliche Faktoren zum Tragen kommen. Das gilt natürlich in erster Linie für grenzüberschreitende Transaktionen über den Euroraum hinaus. Gerade die momentanen Nachteile einer Fertigung in der Schweiz dürfte die dortige Exportindustrie veranlassen, nach geeigneten Übernahmekandidaten bei uns, in Frankreich oder Italien Ausschau zu halten, um in den Genuss der Vorzüge des niedrigen Eurokurses zu kommen. Wenn sich auf der anderen Seite hiesige Unternehmen einen Zeitpunkt aussuchen könnten, an den Verkauf ihres Unternehmens zu denken, könnte er heute nicht besser gewählt sein. Sowohl der innere Wert als auch die subjektiven Präferenzen aus Käuferperspektive lassen bezüglich der Wertrealisierung keine Wünsche offen. Der Markt für M&A bietet gleichermaßen nicht gekannte Chancen für alle Teilnehmer, Berater eingeschlossen – der Weichwährung sei Dank.