VC Magazin: Crowdinvesting wurde zu Beginn von vielen „klassischen“ Venture Capital-Gebern kritisch gesehen. Wie hat sich diese Wahrnehmung in der Zwischenzeit entwickelt/verändert?
Nitsch: Crowdinvesting generell ist in keinster Weise als kritisch anzusehen, sondern ist eine Bereicherung für die Risikokapital Branche. Crowdinvesting hat in Deutschland in den letzten paar Jahren eine massive Entwicklung von einer Randerscheinung hin zu einem „salon-fähigen“ Finanzierungskanal durchgemacht. Trotz dem nach wie vor vergleichsweise kleinen Volumen der gesamten Crowdinvesting Branche in Deutschland, findet strukturell ein Lernprozess statt, um sich etablierten Investmentstrukturen anzunähern.
Kritisch ist nach wie vor die unserer Meinung nach Tatsache, dass es bei Crowdinvestments um eine Anlageform aus dem Hoch-Risikobereich mit vollständigem Ausfallrisiko handelt. Professionelle Venture Capital-Fonds versuchen dieses Risiko durch einen ausgewogenen Portfolioansatz, professionelles, involviertes Investment Management, einen hochprofessionellen Auswahl- und Due Diligence-Prozess sowie durch einen Principal-Agent Interessensausgleich durch Carried Interest-Strukturen zu minimieren. Diese Möglichkeiten bieten sich dem durchschnittlichen Crowinvestor nicht. Das kann eine völlig falsche Risikoeinschätzung auf Seiten der Privatinvestoren als Folge haben. Das „Wissen der Massen“ kann in seltensten Fällen ein professionelles Investment Management mit Portfolioansatz ersetzen und im schlimmsten Fall zu emotionalen oder „Hype“-Investmententscheidungen führen.
VC Magazin: Worauf achten Sie besonders, wenn sich crowdfinanzierte Unternehmen bei Ihnen vorstellen – bzw. wenn eines Ihrer Portfolio-Unternehmen eine Crowdinvesting-Runde plant?
Nitsch: Es gibt nur zwei Kriterien, auf die wir achten: 1. Es muss ein hervorragendes Unternehmen sein. Tolles Team, tolle Idee, großer Markt, überzeugende Strategie, hohes Exit-Potenzial. Dieses Kriterium gilt für alle Investments, unabhängig von der Finanzierungshistorie. 2. Historische Finanzierungen dürfen keine der unter 1. genannten Aspekte behindern. Insbesondere Follow On-Finanzierungen, Exits und das Cash Management dürfen in keinster Weise durch historische Finanzierungen behindert werden. Das gilt für alle Arten der Finanzierung, auch für Crowdinvesting. Generell gilt aber, dass ein überzeugendes Unternehmen weitaus wichtiger ist, als Finanzierungswerkzeuge. Wenn ein Unternehmen spannend ist, der Venture Capitalist investieren will, aber leider historisch unvorteilhafte Finanzierungen gewählt wurden, dann finden in den meisten Fällen Unternehmen und Investor eine Lösung dafür.
VC Magazin: Welche Rolle wird Crowdinvesting mittelfristig in der deutschen Finanzierungslandschaft einnehmen?
Nitsch: Crowdinvesting kann mittelfristig nur eine relevante Säule der Wagnisfinanzierung neben den anderen etablierten Kanälen einnehmen, wenn möglichst eigenkapitalnahe Finanzierungswerkzeuge, am besten einfach echtes Eigenkapital als Finanzierungsvehikel gewählt werden. Eigenkapital bringt folgende Vorteile bei Wagnisfinanzierungen mit sich, die durch alternative Finanzierungsformen nur schwer abzubilden sind: a) Gleichschaltung der Interessen aller Investoren, auch denen vor und nach einer Crowdinvestingrunde, b) Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft, c) keine Cash Out-Risiken, insbesondere bei Geschäftsmodellen mit mittelfristig sehr engem Cash-Management wichtig (also wahrscheinlich bei dem Großteil aller Start-ups). Hinzu kommt, dass mittelfristig der Regulierer immer gewinnen wird, wenn „Umgehungsmodelle“ anstatt etablierter und akzeptierter Finanzierungsmodelle gewählt werden. Das kann weder im Interesse der Investoren, noch im Interesse der Crowdinvesting-Anbieter sein. Darüber hinaus glauben wir, dass sich die deutsche Crowdinvesting-Branche noch in einem Lernprozess befindet. Am Ende muss ein klares Verständnis des Risiko/Rendite-Profils von Start-up-Investments stehen, auch im Kontext zu jeglichen anderen Investment Möglichkeiten, die Privatinvestoren zur Verfügung stehen. Das wird Auswirkungen auf die Vermarktung, die Regulierung und auch auf die breite Akzeptanz von Crowdinvestments in Deutschland haben. Es ist in unserem Interesse als aktiver Teilnehmer der Wagniskapitalbranche in Deutschland, wenn möglichst viel Kapital aus verschiedenen Quellen zur Weiterentwicklung der deutschen Start-up-Branche zur Verfügung steht.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview, Herr Nitsch.
Axel Nitsch ist Senior Investment Manager bei T-Venture, dem Corporate Venture Capital-Unternehmen der Deutschen Telekom AG. Zu seinen Investment Schwerpunkten gehören der Consumer- und Mobile Internet Bereich sowie Advertising Technology. Axel Nitsch ist seit 2010 Investment Manager bei T-Venture. Zu seinen Investments gehören unter anderem Clipkit GmbH, Appnexus, inc. und Iversity GmbH. Vor dieser Zeit war er im Bereich Products and Innovation der Deutschen Telekom AG als Beteiligungsmanager tätig. Seine Karriere begann Nitsch bei 1&1 Internet AG und einem koreanisch-deutschen Start-up, bei dem er gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter 2008 die Pforten schloss. Er ist Certified Private Equity Analyst der TU München und Diplom Kaufmann.