VC Magazin: Die angelsächsischen Staaten werden oftmals als Vorbild beim Thema Entrepreneurial Culture genannt. Wie weit sind wir in Deutschland noch von einer Entrepreneurship-Kultur entfernt?
Malik: Deutschland hat viele Stärken, wie u.a. großartige Wissenschaftszentren und eine methodische als auch verlässliche Arbeitsweise. Manchmal bräuchte es allerdings mehr Mut zu Risiko und Entrepreneurship. Das müssen wir in Deutschland fördern, um auf dem starken Wissenschafts- und Ingenieurhintergrund aufzubauen. Derzeit gibt es eine Trennlinie zwischen Wissenschaft und andererseits dem Bedürfnis nach einer größeren Start-up-Szene. Entrepreneurship wird als etwas gesehen, das Akademiker nicht wirklich wollen. Das muss verbessert werden. Auch der Zugang zu Kapital ist hier ein wichtiger Bestandteil. Etwas mehr Gründungsmut würde Deutschland äußerst wettbewerbsfähig machen.
VC Magazin: Wie hat sich der Umgang mit dem Thema „Intrapreneurship“ bei der Bayer AG in den letzten Jahren verändert?
Malik: Als großer Konzern haben wir über hunderttausend Mitarbeiter auf der ganzen Welt. Eine unserer größten Aufgaben ist es, Innovation zu fördern. Ich bin fest davon überzeugt, dass unsere Life Sciences-Geschäftsmodelle ausschließlich von Innovation getrieben werden. Wir sind stark auf unseren Leitsatz „Science for a better life“ fokussiert und wollen eine Kultur schaffen, in der Experimente unterstützt, Risiken eingegangen und neue Dinge ausprobiert werden – auch mit dem Wissen, dass nicht alles klappen wird. Funktioniert es nicht, so geht es darum herauszufinden, was man aus den Fehlern lernen und beim nächsten Projekt verbessern kann.
VC Magazin: Warum ist Ihnen die Zusammenarbeit mit Start-ups so wichtig?
Malik: Selbst wenn wir eine F&E-Abteilung mit 50.000 anstatt 13.000 Mitarbeitern hätten, könnten wir nicht die Ideen schaffen, welche die Akademiker- und Start-up-Szene hervorbringt. Die unternehmerische Kultur an Universitäten und in Start-ups ist einzigartig, sie kann in einem Unternehmen nicht repliziert werden. Die meisten Unternehmen versuchen einen Weg zu finden, wie sie an diesem Ideenreichtum teilnehmen können, ohne die Führung zu übernehmen. Wir arbeiten mit den Start-ups, gerade weil sie anders sind, und wollen sie daher nicht zu einem Bestandteil von Bayer machen. Gute Zusammenarbeit ist eine Kunst und wir wollen, dass die Unternehmen ihre Unabhängigkeit und Innovationskraft behalten.
VC Magazin: Das Inkubatormodell wird von der Wirtschaft aufgrund hoher Kosten kontrovers diskutiert. Bayer HealthCare hat im Mai 2014 den Inkubator „CoLaborator“ in Berlin gegründet. Wie lautet das Zwischenfazit?
Malik: Die Initiative begann in Mission Bay in San Francisco und wurde nun auch in Berlin gestartet. Es arbeiten bereits einige Firmen mit uns, und es bestehen viele gute Kooperationen. Das ist ein erfreuliches Ergebnis, da es anfangs allein darum ging, Start-ups Arbeitsplatz anzubieten und damit auch die Entrepreneurship-Kultur in unserem Konzern zu fördern. Mittlerweile haben wir allerdings konkrete Kooperationen zwischen den Start-ups und unseren Wissenschaftlern.
VC Magazin: Sie sind zudem einer der privaten Investoren des High-Tech Gründerfonds. Wie arbeiten Sie im täglichen Geschäft zusammen?
Malik: Zwei unserer Manager halten regelmäßigen Kontakt mit dem High-Tech Gründerfonds, besuchen die Veranstaltungen und treffen die Start-ups. Überdies haben wir im Rahmen der Zusammenarbeit öfters formellere Treffen und Diskussionen, und einmal jährlich halten wir gemeinsam einen Pitch Day. Unser Kooperationsansatz mit dem HTGF ist sehr systematisch.
VC Magazin: Wenn Sie heute ein Start-up gründen sollten, welches Thema würden Sie anpacken?
Malik: Am wichtigsten ist Gründen mit Leidenschaft. Tue etwas, von dem du wirklich glaubst, dass es einen Unterschied machen wird, anstatt ein Thema zu wählen, das gerade im Trend liegt. Beginne mit dem Thema, das dich wirklich interessiert und in dem deine Fähigkeiten einen Unterschied machen können. Alles Weitere folgt danach. Generell sind Themen rund um menschliches Erbgut, wie mRNA oder DNA Editing, zurzeit sehr interessant. Wir können mittlerweile menschliches Genom für 1.000 USD sequenzieren. Diese Kosten werden noch weiter zurückgehen und zu einer Vielzahl an Möglichkeiten führen. Zurzeit ist dies eines der spannendsten Gebiete im Biotech-Umfeld.
VC Magazin: Herr Malik, vielen Dank für das Gespräch.
Kemal Malik gehört seit Februar 2014 dem Vorstand der Bayer AG an. Er ist verantwortlich für den Bereich Innovation und für die Regionen Nord- und Lateinamerika.