Bahn frei für Infrastruktur-Investments

Die Politik schafft die Voraussetzungen für mehr Investitionen in Infrastruktur – mit dem Kapitalanlagegesetzbuch, der neuen Anlageverordnung für Versicherungen und der ELTIF-Verordnung. Doch bevor Anbieter neue Infrastrukturinvestments auf den Markt bringen, sollten sie sich einige Fragen beantworten: Welche Anlegergruppe soll angesprochen werden, wie soll die Verteilung von Chancen und Risiken aussehen und wie soll das Produkt strukturiert sein?

Die deutschen Versicherer waren im Jahr 2014 laut dem Branchenverband GDV nur zu weniger als 1% ihrer Kapitalanlagen in Infrastruktur und erneuerbare Energien investiert. Dagegen sind immer noch rund 80% ihres Kapitals in Rentenpapieren angelegt. Vor diesem Hintergrund wird die Forderung der Versicherungswirtschaft nach Erleichterungen für Investitionen in Infrastruktur verständlich. In den letzten beiden Jahren hat sich auf der regulatorischen Ebene einiges getan, um privatwirtschaftliche Investitionen in Infrastruktur anzuregen. Dabei hat der Gesetzgeber nicht nur Versicherungen, sondern auch andere Investorengruppen im Blick.

Regulatorischer Rahmen geändert

Nachdem Mitte 2013 das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) den regulatorischen Rahmen für Fonds in Deutschland abgesteckt hatte, wurde im Februar 2015 die Novelle der Anlageverordnung für Versicherungen und Pensionskassen verabschiedet. Ein wichtiges Ziel dabei: Den Versicherungen und Pensionskassen sollen Infrastrukturinvestments erleichtert werden. Ein weiteres Regulierungsvorhaben nimmt derzeit in Brüssel Gestalt an: Im März 2015 stimmte das EU-Parlament der sogenannten ELTIF-Verordnung zu, die am 20. April vom Rat der Europäischen Union verabschiedet wurde. ELTIF steht für European Long Term Investment Funds. Über diese Vehikel soll u.a. in die Anlageklasse Infrastruktur investiert werden. Der europäische Gesetzgeber hat dabei nicht nur institutionelle Investoren im Blick, sondern – unter bestimmten Voraussetzungen – auch Privatanleger. Der regulatorische Rahmen hat sich also auf breiter Front geändert und wird sich auch weiter verändern. Infrastrukturinvestments sollen dadurch grundsätzlich einfacher zu realisieren sein. Anbieter von Infrastrukturinvestments müssen sich jedoch entscheiden, welche Anleger sie über welche Strukturen erreichen wollen. Der Zeitpunkt ist günstig: Viele Institutionelle stehen aufgrund des Niedrigzinsumfeldes und der Liquiditätsschwemme unter hohem Anlagedruck.

Frage 1: Wer sind meine Anleger?

Zuerst ist zu klären, welche Anlegergruppe angesprochen werden soll. Denn von der Wahl der Zielgruppe hängen alle weiteren Entscheidungen ab. Beispielsweise dürfen Versicherungen nur über Strukturen investieren, die in der für sie maßgeblichen Anlageverordnung genannt sind – dies gilt zumindest bis zum Inkrafttreten von Solvency II Anfang 2016. Bei Family Offices und vermögenden Privatanlegern ist die Situation eine andere: Dort steht oft das Vermeiden von regulierungsbedingtem Aufwand im Vordergrund. Investiert der Investor beispielsweise über eine darlehensbasierte Struktur, kann dies als Bankgeschäft in Form eines Einlagengeschäftes gewertet werden. Dies würde eine Banklizenz nach Kreditwesengesetz (KWG) notwendig machen. Weiterhin ist hier zu beachten, ob dann zur Vermeidung des Einlagengeschäftes evtl. die Möglichkeit zur Gestaltung eines Kreditfonds besteht, dessen Zulässigkeit die BaFin jüngst ermöglicht hat. Bei Family Offices besteht zudem insbesondere das Risiko, dass sie eine Zulassung der BaFin nach KAGB benötigen – insbesondere, wenn sich das Family Office auch Anlegern öffnet, die nicht dem engsten Familien- bzw. Begünstigtenkreis angehören. In einem solchen Fall würde die BaFin das Family Office als eine Art Kapitalsammelstelle einstufen.

Frage 2: Wie sind Renditechancen und Risiken verteilt?

Bei Infrastrukturinvestments existieren in der Regel zwei unterschiedliche Modelle: Das Erwerbermodell, bei dem der Staat das Projekt nach dem Bau kauft, und das Vermietungsmodell, bei dem der Staat das Projekt nur zurückmietet. Bei der Strukturierung eines Investments ist insbesondere die Frage nach der Verteilung von Risiken und Renditechancen entscheidend. Die Verteilung wird in den Verträgen zwischen dem – in der Regel kommunalen bzw. staatlichen – Auftraggeber und dem Betreiber des Projektes festgelegt. Insbesondere seit das KAGB die Möglichkeit eröffnet, schon in der Errichtungs- bzw. Sanierungsphase in Infrastrukturprojekte zu investieren, lohnt sich ein Blick auf gängige Vertragsmodelle für ÖPP-Bauprojekte. Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht die Chancen-Risiken-Verteilung für beide Modelle.

Infrastruktur Bahn frei Tabelle

Frage 3: Investieren über Eigenkapital- oder Fremdkapitalstrukturen?

Ist die Frage nach der Anlegergruppe und der Risikoverteilung entschieden, muss noch geklärt werden, ob die Investoren über eigenkapital- oder über fremdkapitalbasierte Instrumente investieren. Für Family Offices und vermögende Privatanleger kommen aus o.g. Gründen eher Strukturen auf Eigenkapitalbasis infrage. Versicherer dagegen können theoretisch bis zu 5% ihres aus Versicherungsbeiträgen gespeisten Investitionsvolumens in ausreichend gesicherte Infrastrukturdarlehen anlegen. Allen Anlegern stehen zudem die fondsbasierten Investmentvehikel des KAGB zur Verfügung. Allerdings besteht dabei eine grundsätzliche Anforderung. Die Betreibergesellschaft des Projektes muss (un-)mittelbar dem Portfolio- und Risikomanagement einer von der BaFin zugelassenen Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) unterliegen. Ein weiterer Vorteil von KAGB-Fonds: Auch private Investoren können dabei in den Genuss der sehr günstigen Fremdfinanzierungskonditionen kommen. Über geeignete Finanzierungsstrukturen kann die sehr gute Bonität öffentlicher Stellen für die Zinsbemessung genutzt werden („Mogendorfer Modell“). Zudem ermöglichen Spezialfonds mit einer Fremdfinanzierung von 80% und mehr einen sehr hohen Leverage.

Fazit

Der regulatorische Rahmen von Infrastrukturinvestments hat sich also gerade deutlich verändert und wird sich auch noch weiter verändern. Insgesamt strebt die Politik an, Investitionen in Infrastruktur zu vereinfachen. Ob Produktanbieter und Investoren die neuen Möglichkeiten nutzen, wird sich zeigen. Die Vorzeichen jedenfalls sind günstig.

 

Infrastruktur Bahn frei BussianAykut Bußian ist Partner der TPW Todt & Partner GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Hamburg. Zu den Tätigkeitsschwerpunkten des Wirtschaftsprüfers und Certified Information Systems Auditors (CISA) zählen Abschluss- und Sonderprüfungen nach KWG, WpHG und KAGB, Einführung und Strukturierung von Risikomanagement- und internen Kontrollsystemen sowie die prüfungsbegleitende IT-Beratung.