VC Magazin: Das Buzzword Big Data fällt bereits seit einigen Jahren. Welche Rolle spielt das Sammeln und Auswerten großer Datenmengen in der heutigen Unternehmenslandschaft?
Sauer: Man kann das Thema gar nicht hoch genug einstufen. Es gibt derzeit knapp fünf Milliarden ans Internet angeschlossene Geräte. Diese Zahl soll nach verschiedensten Schätzungen in den nächsten fünf Jahren auf 15 bis über 20 Milliarden steigen. Jedes dieser Geräte erzeugt Daten, die ausgewertet werden können. Wir sehen eine enorme Beschleunigung in der Möglichkeit, diese Daten zu verarbeiten. Im Unternehmensalltag verschiedener Industrien bringt das disruptive Veränderungen mit sich. In der Automotivbranche oder gerade im Fintech-Bereich finden viele Veränderungen statt. Am Ende sind es immer Daten, die als Grundlage der disruptiven Geschäftsmodelle dienen. Leider ist das in den Chefetagen vieler deutscher Großkonzerne aber noch nicht richtig angekommen.
Becker: Für uns als Investor war das auch einer der Gründe, in Webtrekk zu investieren. Wir haben Webtrekk als eine Firma gesehen, die an einem Knotenpunkt sitzt, an dem die Daten generiert werden und tief gehende Analyseschritte erfolgen. Daraus werden Vorlagen für die Umsetzung von Marketingaktivitäten gewonnen. Der Marketing Automation-Bereich ist hochspannend, da dort bereits viel Fortschritt erzielt wurde. Auf Basis der Daten Information zu sammeln und sie in Echtzeit umzusetzen schafft ein selbstoptimierendes System. Ich glaube nicht, dass Marketing Automation der einzige Bereich ist, der so funktionieren wird. Es wird sich auch auf andere Branchen ausweiten. Wir investieren nicht nur in Internet und digitale Geschäftsmodelle, sondern sind häufig auch im traditionellen Umfeld unterwegs. Dort beobachten wir, dass selbst Servicedienstleister zunehmend datengestützter arbeiten.
VC Magazin: Ist die Echtzeitverarbeitung der Daten der wichtigste Fortschritt der letzten Jahre? Wie wird dies in der Zukunft aussehen?
Sauer: Wir beginnen gerade erst, Daten zu nutzen und sie zu optimieren. Jede Industrie benötigt eine gewisse Zeit zur Entwicklung. Man musste erst verstehen, wie man die vorliegenden Informationen nutzen kann. Überdies gibt es ständig neue Medien, die erst verstanden und bearbeitet werden müssen. Ein typisches Beispiel ist Social Media: Hier hat sich das Verständnis sehr langsam auf die Wirtschaft ausgebreitet. Einige haben es sehr gut verstanden, andere lassen komplett die Hände davon, weil sie Angst haben, einen Fehler zu machen. Die Geschwindigkeit, die wir derzeit aufnehmen, wird einige noch überraschen.
VC Magazin: Herr Becker, Sie haben bereits die verschiedenen Branchen angesprochen, in denen die DPE tätig ist. Gibt es überhaupt noch eine Branche, die sich dem Big Data-Thema entziehen kann?
Becker: Generell werden in der Zukunft alle Branchen datenorientierter geleitet, schon allein da mehr Daten zur Verfügung stehen. Innerhalb der Branchen werden die Spieler unterschiedlich schnell reagieren. Manche Industrien sind auch etwas traditioneller, die Zyklen brauchen länger und die Datenerfassung ist nicht sonderlich komplex. Ich meine nicht, dass sich jedes Geschäftsmodell verändert, denke aber, dass viele davon profitieren könnten. Der spannende Punkt an Big Data ist nicht bloß das Erfassen von immer mehr Information, sondern die Verarbeitung und die sofortigen Ableitungen, die entweder selbst automatisch passieren oder Handlungsanweisungen für nachgelagerte Prozesse sind.
Sauer: Man muss das Thema Big Data im Rahmen der großen Digitalisierungswelle sehen. Die Frage ist, wie man sich der Digitalisierung stellt. Jedes Unternehmen mit Marketing-Aktivitäten sollte sich im Klaren darüber sein, dass die besten Daten für Marketingmaßnahmen aus den digitalen Kanälen stammen. Diese Daten sollten auch genutzt werden, um alle Werbemaßnahmen, seien sie on- oder offline, zu optimieren. Auch die individualisierte Kundenansprache, die damit einhergeht, wird immer wichtiger, wie man an Zalando sieht. Die Vorteile überwiegen in unseren Augen bei Weitem mögliche Nachteile. Auch Industrien abseits des E-Commerce sollten auf den Zug aufspringen und nicht warten, bis es zu spät ist. Beispielsweise muss die Bankenindustrie reagieren und ihre Value Proposition gegenüber dem Kunden verstehen. Dafür sind Daten eine äußerst wichtige Grundlage.