VC Magazin: Deutsche sind in Bezug auf ihre Daten sehr vorsichtig. Datenkraken wie Google oder Facebook werden zwar genutzt, sind aber nicht ganz geheuer. Wie kann man Datenschutz und Big Data vereinen?
Sauer: Die derzeitige Situation ist für die europäischen Beteiligten schlimm: Wir schicken mehr oder weniger ungeprüft alle Daten in die USA. Facebook, Google oder Apple haben mehr Daten über uns denn je. Das wird in Deutschland nicht so kritisch gesehen. Wenn eine Firma wie Facebook aufgrund ihres Umgangs mit Nutzerdaten hier nicht ansässig sein könnte, heißt das doch, dass wir unsere eigenen Firmen kaputt machen, gleichzeitig aber in anderen Ländern Weltmarktführer schaffen, die so schnell nicht mehr eingeholt werden können. Daher finde ich es müßig, dass jedem, der Datenschutz für wichtig erklärt, applaudiert wird. Gleichzeitig wird aber bei Google eine Kaffeemaschine gesucht, auf Amazon gekauft und das dann noch auf Facebook gepostet.
Becker: Am prägnantesten ist es im E-Commerce-Umfeld, das sich wohl am schnellsten entwickelt. Arbeitet man heute nicht mit den Daten, die man erfasst, wird man abgehängt.
Sauer: Unternehmen wie Zalando sind damit groß geworden, dass sie einen besseren und direkteren Umgang mit Daten hatten und auch direkt wussten, wie sie diese einzusetzen haben. Wir versuchen natürlich auch in anderen Branchen Fuß zu fassen. Dort sieht man häufig noch, dass grundsätzliche Probleme mit den Möglichkeiten, die diese Daten bieten, bestehen. Das Informationszeitalter fängt gerade erst an richtig Spaß zu machen. Google, Apple und Amazon haben zusammen bereits die Börsenbewertung unseres gesamten Börsenindexes. Deutschland muss aufwachen und sich eine andere Strategie überlegen, als zu warten und aufzupassen.
VC Magazin: Die Europäische Kommission hat Ende letzten Jahres angekündigt, im Rahmen eines Public Private Partnerships zusammen mit der Europäischen Datenverarbeitungsindustrie 2,5 Mrd. EUR in diesen Bereich zu investieren mit dem klaren Ziel, 30% des weltweiten Datenmarktes für europäische Anbieter zu sichern.
Sauer: Es ist eine interessante Initiative, ich frage mich aber, ob hier der Markt oder etwas staatlich Gewünschtes besser funktioniert. Am Beispiel von China sieht man, dass es durchaus möglich ist, die Grenzen dicht zu machen und Geschäftsmodelle wie Google und Amazon selbst zu entwickeln. Für Europa ist das natürlich unmöglich. Die EU sollte versuchen, Regeln dafür zu finden, wie Daten hier verarbeitet werden können. Diese Regeln sollten für alle gleich sein. Für uns ist es ein Nachteil, dass es derzeit Firmen gibt, die in den USA ansässig sind und gemäß dem Safe Harbor-Abkommen dort nach anderen Regeln ihre Produkte entwickeln können als wir.
VC Magazin: Welche Herausforderungen stehen der Big Data-Industrie bevor?
Becker: Auf der einen Seite gibt eine datenschutzrechtliche Herausforderung. Überdies gibt es eine rein technische Herausforderung mit den Datenbanken, da die Daten richtig gespeichert werden müssen. Die Kosten müssen niedrig genug sein, um die Mengen erfassen zu können. Die Herausforderung ist am Ende aber doch kommerzieller Natur: Welche interessanten Businessmodelle man daraus entwickeln und was man damit anfangen kann. Wie sich Industrien damit verändern können. Hier gibt es sicherlich eine Reihe interessanter, neuer Antworten. Das ist neben den Anbietern, die auf der technischen Ebene diesen Wandel ermöglichen, das Spannendste.
VC Magazin: Als Investor hat man stets einen Exit im Blick. Wie gestaltet sich aus Ihrer Sicht aktuell das Exit-Fenster für Big Data-Themen? Ist der Trade Sale vor dem Hintergrund der gestiegenen Investitionen der Großkonzerne ein attraktives Szenario oder ein IPO?
Becker: Wir machen uns bei einer Investition weniger darüber Gedanken, was das richtige Exit-Fenster ist. Unsere Priorität ist es, eine erfolgreiche und nachhaltige Firma aufzubauen, dann ergibt sich für uns im letzten Drittel der Halteperiode meist automatisch ein Exit-Szenario. Webtrekk hat heute bereits multiple globale Marktchancen, die sich noch ausweiten. Dabei unterstützen wir Christian Sauer und sein Team, diese möglichst effizient wahrzunehmen. Wir informieren uns gegenseitig über die Chancen und wie wir damit umgehen wollen. Darauf liegt klar der Fokus. Für ein derartiges Unternehmen gibt es sowohl einen Trade Sale als auch einen Börsengang als Exit-Möglichkeit. Wir haben im letzten Jahr Technologieunternehmen in Deutschland erfolgreich an die Börse gebracht. Der deutsche Aktienmarkt ist bereit für Wachstumsfirmen. Gleichzeitig gibt es Interesse von größeren Strategen für solche Firmen. Welchen Weg man gehen möchte, entscheidet man besser am Ende.
VC Magazin: Herr Becker, Herr Sauer, vielen Dank für das Gespräch.
Lars Becker ist Partner bei der DPE Deutsche Private Equity, einem deutschen Wachstumsinvestor. Vor DPE war Becker Technologie-Unternehmer und bei Morgan Stanley in London tätig. Er hält einen BSc der London School of Economics (LSE) und einen Masters der Harvard University. Christian Sauer ist Gründer und CEO von die Webtrekk und ist für die Bereiche Marketing und Vertrieb zuständig. Vor der Gründung sammelte er bei verschiedenen Arbeitsstationen in Mexiko, USA und in der Schweiz Erfahrungen im Bereich Banking und Consulting.