In der operativen Due Diligence werden auch die Mitarbeiter der ersten und zweiten Ebene des Unternehmens betrachtet und Kennzahlen erhoben: Output pro Mitarbeiter, Produktivität, Personalkosten etc. Aber ob die Mitarbeiter eine geplante Internationalisierungsstrategie umsetzen können, ist daran kaum abzulesen. Fehlen etwa Fremdsprachenkenntnisse, braucht zum Beispiel der Vertrieb fünf neue Mitarbeiter. Abfindungen und Neueinstellungen können leicht 500.000 EUR kosten, dazu kommen sechs bis zwölf Monate Zeitverlust. Solche im Grunde einfachen Informationen sind also entscheidend. Wie lässt sich das im Vorfeld erkennen? Gespräche mit den Leitern der wichtigen Abteilungen, eine Prüfung der Personalakten und der bisherigen Fluktuation geben Aufschluss. Doch vor Vertragsabschluss ist das oft nicht möglich, zumal zu diesem Zeitpunkt in der Regel die strategischen Fragen im Vordergrund stehen. Immer mehr Private Equity-Gesellschaften schicken deshalb gleich ab den ersten Tagen nach dem Kauf operative Manager ins Unternehmen, zum Beispiel als COO, um die Organisation zu überprüfen und Schwächen sofort aufzudecken und zu beseitigen.
Wie groß ist der Investitionsstau?
Wenn ein Unternehmen verkauft werden soll, wird in der Regel kaum noch investiert – abgesehen von ein paar „Leuchtturminvestitionen“. Zum Beispiel arbeitete ein Technologieunternehmen mit veralteter Software und konnte manche Files von Kunden nicht mehr öffnen. Der Investor erhält die Auskunft, die Entwickler verwenden CAD. Aber welche Version? Müssen neue Lizenzen angeschafft werden, geht das bei speziellen Programmen pro Arbeitsplatz in die Tausende. In einer Abteilung mit 30 Mitarbeitern sind schnell 150.000 EUR fällig, die mit dem entsprechenden Kaufpreismultiplikator auch noch gut in die Kaufpreisverhandlungen hätten einfließen können. Gleiches gilt für den Zustand der Immobilien. Die Grundbuchauszüge werden genau überprüft. Und doch stellte sich in einem Hochtechnologie-Unternehmen mit sensiblen Produkten heraus, dass es durch ein Flachdach regnete, die Reparatur kostete 300.000 EUR. Kundenbesuch konnte in diesem Zustand kaum durch die Produktion geführt werden.
Veränderungsbereitschaft der Organisation
Neue Führung, strategische Neuausrichtung, Investitionsprojekte – die Veränderungen nach einer Übernahme werden von Mitarbeitern und Führungskräften umgesetzt. Das ist fast immer schwierig. Umso wichtiger ist, die Veränderungsbereitschaft schon bei der Due Diligence genau zu prüfen. Fallen bei Schlüsselpersonen Aussagen wie „Das haben wir schon versucht“, „wir haben zu viel zu tun“, sperren sie sich vermutlich gegen Neues. Wichtig ist auch, wie offen die Mitarbeiter sind: Suchen sie Kontakte nach außen, über Messen, Kundenbesuche, Einbindung der Lieferanten? Genau solche vermeintlichen Kleinigkeiten können über den Erfolg einer Übernahme entscheiden.
Fazit
Oft sind genau diese einfachen Themen in einem hochkomplexen Due Diligence-Prozess blinde Flecke. Auch solche Details zu hinterfragen, kann im Nachhinein eine Menge Geld und Zeit sparen – auch wenn für unvorhergesehene Fälle ein Budget einkalkuliert wurde. Denn dieses reicht erfahrungsgemäß oft nicht aus.
Andreas Pahl ist Interim Geschäftsführer und begleitet Unternehmen durch tiefgreifende Veränderungen wie Neuausrichtungen, Restrukturierungen oder Transaktionen mit Beteiligungskapitalgebern. Seine Schwerpunkte sind Working Capital Management, Liquiditätsteuerung und der Aufbau von Teams bzw. Mitarbeiterentwicklung. Pahl kann auf über 15 Jahre praktische Erfahrung als Geschäftsführer zurückgreifen. Seine Kunden: internationale Mittelständler mit einem Jahresumsatz von 20 bis 400 Mio. EUR, unter anderem aus der Medizintechnik, Metall-/ Elektroverarbeitung und dem Großhandel sowie der Automobilindustrie.