Timotheus Höttges: Deutschlands neuer Start-up-Kapitän?

Zwar sieht der von den EU-Parlamentariern verabschiedete Verordnungsentwurf vor, dass Provider „den gesamten Verkehr bei der Erbringung von Internetzugangsdiensten gleich, ohne Diskriminierung, Beschränkung oder Störung“ behandeln. Auch für eine Einschränkung abhängig „von Sender und Empfänger, den abgerufenen oder verbreiteten Inhalten, den genutzten oder bereitgestellten Anwendungen oder Diensten oder den verwendeten Endgeräten“ gibt es eine Absage. Jedoch werden den Anbietern gleichzeitig eine Reihe von Ausnahmen eröffnet. Im Entwurf ist von „Spezialdiensten“ die Rede, diese seien „keine Internetzugangsdienste“. Den Providern gibt das europäische Parlament die Möglichkeit, den Unternehmen, die Spezialdienste anbieten oder nutzen, eine bevorzugte Behandlung ihrer Daten in Rechnung zu stellen. Hatten die Abgeordneten in Straßburg dabei insbesondere Dienste wie Verkehrssteuerungssysteme oder Telemedizin im Blick, sieht Kapitän Höttges deutlich mehr Möglichkeiten Rheinzölle zu erheben.

In seiner Stellungnahme führt der Telekom Vorstandsvorsitzende neben den von den EU-Parlamentariern angedachten Branchen auch Videokonferenzen und Online-Gaming als Spezialdienste auf. Für Start-ups, deren Produkte zwingend eine gute Übertragungsqualität bräuchten, wären diese Spezialdienste eminent wichtig. Nun zählen innovative Jungunternehmen gemeinhin nicht zur kapitalstärksten Gruppe der Unternehmen. Aber auch dafür hat Höttges eine Lösung: „Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür (die Nutzung der Spezialdienste, Anm. d. R.) im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent.“ Man könnte es auch Internet for Revenue nennen.

Ob diese Form der „Unternehmensbeteiligung“ dann bei Deutsche Telekom Strategic Investments, dem neustrukturierten Investitionsarm der Telekom, aufgehängt ist, ist bislang nicht bekannt. Dass dieser just am Tag des gebilligten Verordnungsentwurfs an den Start ging, sei nur am Rande angemerkt. Klar dürfte allerdings sein: Wenn Kapitän Höttges seinen Tanker tatsächlich quer in den Rhein stellt, wird der Gründungsstandort Deutschland bald mit Ruderbooten beim internationalen Speed-Boot-Rennen antreten.