VC Magazin: Von den insgesamt 56 Start-ups in der Mainmetropole: Welches sind für Sie derzeit die Fintechs aus Frankfurt, die Ihrer Meinung die meiste Aufmerksamkeit verdienen?
Sacarcelik: Das sind aus meiner Sicht: Clark, ein Versicherungsvergleich, Traxpay, ein Anbieter für B2B-Zahlungsverkehr, Vaamo, das im Bereich Geldanlage, die Trading-App Swipestox und Bettervest, eine Crowdfunding-Plattform für soziale und nachhaltige Projekte.
VC Magazin: Welchen Stellenwert hat der Standort Frankfurt für die Start-up-Szene, auch vor der Konkurrenzsituation zu Berlin?
Sacarcelik: Zum einen die zentrale geographische Lage in Deutschland, darüber hinaus ist die Stadt ein internationales Drehkreuz, man hat kurze Wege und einen großen Talentpool sowie vielfältiges Know-how durch renommierte Universitäten und Hochschulen – z.B. Goethe Universität Frankfurt, Frankfurt School of Finance and Management, TU Darmstadt, EBS Wiesbaden, Universität Mainz. Die hohe Wirtschaftskraft und Dynamik der Region Rhein-Main mit zahlreichen internationalen Finanzinstituten, Dax-Unternehmen und renommierten Hochschulen ist ein weiterer Standortvorteil. Dadurch ergeben sich vielfältige Synergiemöglichkeiten, z.B. universitäre Forschungs- und Förderprogramme, Corporate Start-ups oder Corporate Venture Capital.
VC Magazin: Welchen Stellenwert nimmt die Fintech-Branche innerhalb der Wirtschaft in Frankfurt bzw. Hessen ein?
Sacarcelik: Die Zahl der Fintechs in Frankfurt und Rhein-Main steigt stetig. Erste Unternehmen haben ihren Sitz bereits nach Frankfurt verlegt. Denn die besondere Stellung Frankfurts als internationales Finanzzentrum, Börsenplatz, Sitz der EZB und der BaFin trägt zur Sichtbarkeit von Fintechs bei. Gerade im B2B-Bereich können Fintechs in Frankfurt interessante Kooperationspartner finden. Sie können z.B. auch von der Infrastruktur der Banken profitieren. Umgekehrt sind viele Banken heute auf der Suche nach interessanten Jungunternehmen und innovativen Ideen im digitalen Banking. Das geplante Fintech-Zentrum, das in Kürze in Frankfurt errichtet wird, ist ein Leuchtturmprojekt. Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen unterstützen das Vorhaben aktiv. Die BaFin organisiert in Kürze eine Fintech Konferenz und hat auf ihrer Webseite nützliche Infos zu regulatorischen Themen für Fintechs veröffentlicht. Ein eigenes Team bei der BaFin soll die Arbeit innerhalb der Aufsicht koordinieren und den Dialog mit Fintechs fördern. Das sind sehr positive Signale und gute Rahmenbedingungen – vor allem in der Region Rhein-Main.
VC Magazin: Reichen diese Schritte aus oder was braucht es zusätzlich?
Sacarcelik: Die bereits genannten Entwicklungen sind positive Schritte und Entwicklungen, allerdings müssen hier zusätzliche Anreize für Fintechs und andere Start-ups geschaffen werden. Hierzu zählen z.B. bezahlbare Büro- und Arbeitsräume, flexiblere Mietverträge für Start-ups. Die Region braucht auch Inkubatoren und Acceleratoren, die Start-ups unter die Arme greifen. Die Zahl der regionalen Venture Capital-Gesellschaften, die sich an innovativen Jungunternehmen beteiligen, ist noch relativ überschaubar. Hier gibt es noch viel Potential. Auch die Corporates sollten ihre Anstrengungen im Bereich der Start-up- und Innovationsförderung erhöhen, z.B. durch Corporate Start-ups, Förderprogramme oder Corporate Venture Capital. Erfreulicherweise gibt es schon zahlreiche gute Eventformate, die eine gute Plattform für den Dialog und den Austausch innerhalb der Start-up Community bieten. Der „Gründergeist“ kann aber insgesamt noch viel stärker gefördert werden.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Sacarcelik.
Dr. Osman Sacarcelik ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Norton Rose Fulbright LLP.
Er hat sich auf den Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts spezialisiert und berät deutsche und ausländische Banken und Unternehmen in allen finanzrechtlichen Fragen. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählt auch Islamic Finance. Außerdem begleitet er türkische Unternehmen bei ihren Geschäften in Deutschland. Zudem ist er Organisator von Startup Grind Frankfurt. Das Veranstaltungsformat bietet Austausch und Netzwerken für Start-ups und stammt ursprünglich aus den USA. Mittlerweile finde die Serie weltweit in 100 Städten statt.