GE bietet bei einer Unternehmensbewertung von etwa 665 Mio. EUR (der Unternehmenswert ist aufgrund negativer Nettoverschuldung niedriger als der veröffentlichte Kaufpreis von 683 Mio. EUR) somit 10x Umsatz (nicht EBITDA). Achtung: Der EBITDA-Multiple beträgt sagenhafte 82,6x. Auch wenn SLM Solutions außerordentlich stark gewachsen ist (Umsatz CAGR 2011–2015 von 54%) ist das ein Wahnsinnspreis. Breiten Raum in der Berichterstattung nahm auch die öffentliche Übernahme der Kuka AG durch die chinesische Midea Group Co., Ltd. ein. Kuka wurde mit 17,7x EBITDA bewertet. Sicherlich auch eine außerordentlich attraktive Bewertung. Aber nicht alles wird heute für zweistellige EBITDA-Multiplikatoren verkauft. Der schwäbische Getriebe-Spezialist Getrag, erworben von der kanadischen Magna International Inc. aus Familienhand, wurde mit dem 8,8-Fachen des EBITDA bewertet. Aber auch das ist im Automotive-Sektor sicherlich eine sehr attraktive Bewertung. Der M&A-Markt war im ersten Halbjahr 2016 tatsächlich außerordentlich. Anzahl und Volumen der Transaktionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen lagen nicht nur über den Werten der ersten sechs Monate 2015, sondern waren langjährige Höchstwerte erster Halbjahre. Die Bewertung für Unternehmen liegt auf dem höchsten Niveau der vergangenen 20 Jahre. Droht bei all dem ein Ausverkauf deutscher Unternehmen ins Ausland?
Vor der Antwort sollte man einen Moment innehalten. Der hohe Exportüberschuss bei Waren und Dienstleistungen wird hierzulande, anders als z.B. in Washington und Brüssel, positiv beurteilt. Dass auch die Hersteller der attraktiven (Technologie-)Produkte selbst Transaktionsgegenstand werden können, sollte uns eigentlich nicht verwundern, sondern ist da nur konsequent. Insbesondere der deutsche Mittelstand mit seinen vielen Nischenunternehmen ist global gefragt. Zur Beruhigung: Auch deutsche Unternehmen sind im Ausland bei Akquisitionen aktiv und erfolgreich. Die größte im ersten Halbjahr vollzogene Transaktion hat die deutsche Unternehmerfamilie Reiman mit dem Erwerb des amerikanischen Kaffeekonzerns Keurig Green Mountain, Inc. realisiert und hier selbst auch sehr stramme 13,3x EBITDA bezahlt. Und das Familienunternehmen Mann+Hummel hat für 1,1 Mrd. EUR den Filtrationsspezialisten Affina in den USA übernommen.
Ja, es werden mehr deutsche Unternehmen ins Ausland verkauft (Export), als ausländische Firmen von deutschen Unternehmen übernommen werden (Import). Im ersten Halbjahr 2016 war das Verhältnis 285 zu 186. Allerdings gab es in diesem Zeitraum auch 396 rein nationale Transaktionen. Das sind 58% aller 681 Eigentümerwechsel bei deutschen Unternehmen. Insgesamt machen die 285 Verkäufe ins Ausland knapp 33% aller 867 Transaktionen mit Beteiligung deutscher Unternehmen als Käufer und/oder Verkäufer aus. Also kein Grund zur Panik! Die Verkäufer haben sich den Verkauf ihrer Unternehmen gut überlegt und können sich über sehr attraktive Preise freuen.
Dr. Axel Gollnick ist Vorstand der Angermann M&A International AG. Er berät überwiegend Familienunternehmen und ist Kenner des Private Equity-Sektors. Angermann M&A International ist das älteste unabhängige M&A-Beratungshaus in Deutschland und Gründungsmitglied der weltweit größten Organisation unabhängiger Beratungsunternehmen M&A International Inc. mit über 650 Professionals in 45 Ländern.