Zudem hat sich die Zahl der Insolvenzen in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,8% verringert. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Niedrigzinsumfeld, das Unternehmen die Finanzierung natürlich erheblich erleichtert. Auf den ersten Blick zumindest. Konjunkturdaten und Optimismus im Mittelstand sind das eine. Es gibt aber noch eine andere Seite: Die Politik der EZB ist inzwischen zu einer Herausforderung für all jene geworden, die dem Mittelstand und damit dem Rückgrat der deutschen Wirtschaft die notwendige Liquidität liefern.
Unternehmen sollten weiter auf breiten Finanzierungsmix setzen
Das billige Geld soll eigentlich Anreize für Investitionen schaffen. Bislang ist die Wirkung der Nullzinspolitik jedoch überschaubar. Die Erfahrung zeigt mittlerweile vielmehr, dass niedrige Zinsen kein Allheilmittel sind und Unternehmen nicht zum Investieren motivieren. Im Gegenteil: Der Nullzinssatz trägt eher noch dazu bei, Verunsicherung bei Unternehmen auszulösen. Dabei brauchen diese vor allem – als Grundvoraussetzung für Investitionen – stabile Verhältnisse. Sie tun also weiter gut daran, einen breiten Finanzierungsmix anzustreben, in dem auch alternative Finanzierungsinstrumente Berücksichtigung finden. Wie das Factoring. Es kann in kürzester Zeit Liquiditätsengpässe schließen und Freiräume für mehr Flexibilität schaffen. In der Tat wird der Forderungsverkauf zunehmend als Baustein der Unternehmensfinanzierung genutzt. Gerade Mittelständler – ob groß oder klein – sind daran interessiert, ihre Finanzierung unabhängiger zu gestalten. Es war nicht zuletzt für viele Unternehmen einer der größten Lerneffekte aus der Finanzkrise, künftig Abhängigkeiten von einzelnen Finanzierungspartnern zu vermeiden. Gleichzeitig sieht man in vielen Betrieben, in denen inzwischen neue Generationen die Geschäftsführung übernommen haben, kaum noch Berührungsängste mit alternativen Finanzierungsmethoden.
Factoring-Partner übernimmt das Ausfallrisiko
Geht es um eine sichere, transparente und flexible Möglichkeit der Finanzierung, kann Factoring eine entscheidende Rolle spielen. Denn es sorgt dafür, dass eine Rechnung bezahlt ist, kaum dass sie gestellt wurde. Ein Unternehmen verkauft dabei einem Factoring-Partner die Forderung aus einer Lieferung oder Leistung an einen Kunden. Auf der Grundlage der versandten Rechnung erhält das Unternehmen von seinem Partner umgehend Liquidität, in der Regel innerhalb von 24 Stunden. Die Voraussetzungen, die der Kunde eines Factoring-Instituts für den Forderungsverkauf erfüllen muss, sind dabei recht einfach: Die Leistung muss zum Beispiel tatsächlich erbracht worden sein, und die Forderung muss frei von Ansprüchen Dritter sein. Auf diesem Weg ist sichergestellt, dass unmittelbar Liquidität ins Unternehmen fließt. Besonders für junge Firmen ohne dicke Kapitaldecke stellt dies einen mitunter unschätzbaren Vorteil dar. Die Höhe der zur Verfügung gestellten Liquidität bemisst sich nach der Selbstliquidierbarkeit der Forderungen. In der Regel verwandelt Factoring Forderungen zu rund 90% in liquide Mittel – das ist deutlich mehr als bei anderen Finanzierungsformen. Gleichzeitig übernimmt der Factoring-Partner das Ausfallrisiko. Das schafft Freiräume, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren.
Finanzierungsmodell im Aufwind
Die Zustimmung zu dieser Art der Unternehmensfinanzierung wächst bei den Entscheidern – und zwar rasant. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: 2015 sind nach einem bereits wachstumsstarken Vorjahr die Umsätze der Mitglieder des Deutschen Factoring-Verbandes um 10,1% auf 209 Mrd. EUR gestiegen. Im ersten Halbjahr 2016 setzte sich dieser Trend ungebrochen fort, der Umsatz legte nochmals um 4% zu. Die Zahl der Kunden wuchs in diesem Zeitraum um 8% auf nunmehr 20.740, die von den mittlerweile 34 im Verband zusammengeschlossenen Anbietern betreut werden. Branchenspezifisch betrachtet sind die Top 5 der Factoring-Nutzer: Handel und Handelsvermittlung, Fahrzeugbau, Metallerzeugnisse/Maschinenbau, Dienstleistungen und Elektronik/elektronische Bauteile.
Factoring-Kunden können mobil…
Die Factoring-Branche bietet ihren Kunden heute individualisierte, maßgeschneiderte Lösungen. Und auch die Digitalisierung hat längst Einzug in dieses Business gehalten. Digitale Tools, wie beispielsweise webbasierte Anwendungen, bieten Kunden bereits seit Jahren jederzeit aktiv Zugriff auf das Portfolio. Das heißt, sie können selbst Daten eintragen oder Limit-Entscheidungen einpflegen. Ergänzend dazu gibt es Web-Applikationen, die es den Kunden ermöglichen, mobil und mehrsprachig über PC, Tablet oder Smartphone alle relevanten Daten in Echtzeit abzurufen. Bei Finanzentscheidungen in Unternehmen sind schließlich vor allem zwei Faktoren maßgeblich: Die schnelle Verfügbarkeit aller Parameter sowie der globale Zugriff auf sämtliche erforderlichen Daten – etwa, wie hoch die Liquidität aktuell ist, bei welchen Abnehmern das Limit überschritten wurde oder wie sich internationale Forderungen auf einzelne Länder verteilen. Natürlich haben Kunden dabei einen individuellen Account mit persönlichen Zugangsdaten.
Liquidität als entscheidender Faktor in Krisen
Auch M&A-Transaktionen lassen sich mit Factoring schnell und liquiditätsoptimiert umsetzen. Denn mittels Forderungsverkauf lässt sich das Working Capital des Zielunternehmens kurzfristig optimieren. In Krisenzeiten wiederum kann Factoring zum entscheidenden Faktor der Zukunftssicherung werden. Es optimiert durch regresslosen Kauf von Forderungen den Cashflow und reduziert dadurch das Forderungsausfallrisiko. In Restrukturierungsprozessen erweist sich Liquidität oft als der entscheidende Faktor. Je flexibler und schneller ein Betrieb auf zusätzliche Mittel zurückgreifen kann, desto größer sind seine Chancen, gestärkt aus einer kritischen oder gar bedrohlichen Situation hervorzugehen.
Fazit
Glaubt man den Konjunkturexperten, muss sich die deutsche Wirtschaft auf herausforderndere Zeiten einstellen. Von Krisenszenarien ist das Gros der deutschen Mittelständler jedoch glücklicherweise meilenweit entfernt. Was nichts an den Vorteilen einer umgehend bezahlten Forderung ändert.
Joachim Secker ist CEO von Targo Commercial Finance. Das Unternehmen ging im Sommer 2016 aus dem durch die französische Bankengruppe Crédit Mutuel übernommenen Factoring- und Leasinggeschäft von GE Capital in Deutschland hervor und bietet mittelständischen Unternehmen Finanzierungen in den Bereichen Factoring und Leasing an. Secker war seit 2008 Chief Executive Officer von GE Capital Germany.