Am Verhandlungstisch sitzen sich in zunehmenden Maß Kontrahenten gegenüber, die weder die Erfahrungen noch den Sachverstand haben, um ein Start-up zu bewerten. Es fehlen Daten für Peer Group-Analysen. Zudem greifen die klassischen Methoden der Unternehmensbewertung im Pre Revenue-Stadium in der Regel nicht. Gründer entwickeln ihre Vorstellungen oft aufgrund von Gerüchten, Fantasien und Stories der Unicorns. Immer mehr Investoren stützen sich ebenfalls auf diese drei vagen Säulen, da die Finanzierungen zunehmend von unternehmerischen Privatinvestoren dargestellt werden.
Um etwas Transparenz zu schaffen, haben wir 948 abgeschlossene Anschlussfinanzierungen bei Start-ups untersucht, die vom HTGF finanziert worden sind. Die gute Nachricht für Gründer ist, dass die Bewertungen sich in den letzten elf Jahren nach oben entwickelt haben. Im Jahr 2007 lagen die Halbjahreswerte in der A-Runde, die der Seed-Runde folgt, bei durchschnittlich 3,2 Mio. EUR und 3,4 Mio. EUR und 2011 bei 3,8 Mio. EUR und 2,7 Mio. EUR. Fünf Jahre später im Jahr 2015 ergaben sich Halbjahreswerte von 3,8 Mio. EUR und 4,1 Mio. EUR und im aktuellen Jahr 2016 von 4,3 Mio. EUR und 4,4 Mio. EUR. Im Jahr 2015 zeigten sich durchschnittliche Pre Money-Bewertungen von 3,8 Mio. EUR im ersten und 4,1 Mio. EUR in der zweiten Jahreshälfte, 2016 von 4,3 Mio. EUR und 4,4 Mio. EUR. Der Durchschnitt über alle A-Runden liegt bei 3,4 Mio. EUR. Die Bewertungen steigen im weiteren Verlauf der Unternehmensentwicklung: der Schnitt in den B-Runden beträgt 4,8 Mio. EUR, bei C-Runden 7 Mio. EUR und bei D-Runden 9 Mio. EUR. Naturgemäß streuen die Werte sehr stark. Es gibt Ausreißer nach oben und unten, die nachvollziehbar sind. Aber gerade in der A-Runde häufen sich Ausreißer, die mit der Qualität der Start-ups kaum in Verbindung zu bringen sind.
Einen Grund sehen wir darin, dass viele unternehmerische Privatinvestoren keinen Portfolioansatz in ihre Überlegungen zur Bewertung der Start-ups einbeziehen. Wahrgenommen werden oft nur die großen Erfolge, die hohe Multiples auf das eingesetzte Kapital eingebracht haben. Die 30% bis 50% Ausfälle und schwachen Exits werden ausgeblendet. Die erfolgreichen Exits müssen aber die Verluste kompensieren. Da die Venture Capital-Investoren den Portfoliogedanken berücksichtigen müssen, steigen die Unternehmensbewertungen in den Folgerunden nicht sehr stark. Business Angels zeigen sich dann unzufrieden und stellen sich quer, da sie in den A-Runden zu hohe Bewertungen akzeptiert haben.
Dr. Michael Brandkamp ist Geschäftsführer der High-Tech Gründerfonds Management GmbH mit Sitz in Bonn.