Zukäufe von Finanzinvestoren auf Zehnjahreshoch

Nach einem eher verhaltenen ersten Halbjahr verzeichnet der deutsche Private Equity-Markt in der zweiten Jahreshälfte 2016 einen regelrechten Boom. Im Vergleich zur ersten Jahreshälfte steigt die Zahl der Zukäufe durch Finanzinvestoren laut einer Analyse des Prüfungs- und Beratungsunternehmen EY um 63% von 65 auf 106 an. Der Wert der Transaktionen hat sich damit von 5,0 auf 15,8 Mrd. EUR mehr als verdreifacht. Mit insgesamt 171 Deals im Gesamtwert von 20,8 Mrd. EUR war 2016 damit das stärkste Private Equity-Jahr in Deutschland seit dem Vorkrisenjahr 2007 – damals hatten Finanzinvestoren hierzulande für 30,2 Mrd. EUR zugekauft.

Die Verkäufe deutscher Unternehmensbeteiligungen lag ebenfalls über dem Vorjahresniveau: Insgesamt 106 Exits im Gesamtwert von 19,7 Mrd. EUR wurden gezählt – im Vorjahr waren es 91 Deals im Wert von insgesamt 16,9 Mrd. EUR. Erstmals seit dem Jahr 2012 haben Finanzinvestoren in Jahr 2016 auf dem deutschen Markt wieder mehr investiert als sie bei Beteiligungsverkäufen eingenommen haben.

Während Private Equity-Fonds im zweiten Halbjahr dieses Jahres so aktiv waren wie seit mehr als zehn Jahren nicht – zuletzt gab es im ersten Halbjahr 2006 mit 108 Deals mehr Zukäufe –, verzeichnete der übrige M&A-Markt kräftige Einbußen: Die Zahl der Transaktionen, bei denen nicht Privat Equity-, sondern strategische Investoren als Käufer deutscher Unternehmen auftraten, sank im Vergleich zur ersten Jahreshälfte um ein Viertel von 279 auf 210. Die Autoren der Studie führen diesen Rückgang auf das von Unsicherheit geprägte wirtschaftliche und politische Umfeld durch das Brexit-Votum und den US-Präsidentschaftswahlkampf zurück.

Laut der Analyse werde die Zurückhaltung strategischer Investoren, Zukäufe zu tätigen, noch weiter anhalten. Nach dem für viele überraschenden Ausgang der US-Wahl warte der Markt derzeit noch auf eindeutige Signale bezüglich der zukünftigen Ausrichtung der US-Wirtschaftspolitik. So lange würden viele Unternehmen in Wartestellung bleiben. Es spreche allerdings einiges dafür, dass sich zukünftig US-Konzerne weniger stark in Europa engagieren werden, während umgekehrt der US-Markt einen M&A-Boom verzeichnen könnte, so die Studienautoren. Es dürften also auf dem europäischen Markt gute Zeiten für Finanzinvestoren anbrechen, da es weniger Konkurrenz durch strategische Käufer geben wird.

Insgesamt bleiben die Rahmenbedingungen für einen starken Transaktionsmarkt vorerst positiv, so die Studienautoren. Die Konjunkturaussichten seien nach wie vor gut, die Zinsen niedrig, und es gebe weiter sehr viel Liquidität im Markt. Zudem sehen die Autoren der Studie einen starken Druck auf Industrieunternehmen, sich neu auszurichten, ihre Geschäftsmodelle stärker dem technologischen Wandel anzupassen und sich notfalls auch von Unternehmensbereichen zu trennen. Immer mehr Unternehmen würden durch neue Wettbewerber und neue Technologien herausgefordert und müssten ihre Geschäftsmodelle überdenken. Laut der Studie sollen Finanzinvestoren als Käufer bei Abspaltungen ganzer Bereiche weiterhin eine relevante Rolle spielen.

Die größte Private Equity-Transaktion in 2016 war der Verkauf des Immobilienunternehmens Officefirst an Blackstone für 3,3 Mrd. EUR. Der zweitgrößte Deal war der Verkauf des Berliner Spezialchemie-Unternehmens Atotech – bisher eine Tochter des französischen Ölkonzerns Total an Carlyle für 2,9 Mrd. EUR. Mit dem Kauf von Xella (2,2 Mrd. EUR), Bilfingers Bau- und Immobiliensparte (1,4 Mrd. EUR), Acetow (1,0 Mrd. EUR), und der Airbus-Sparte für Verteidigungselektronik (1,1 Mrd. EUR) führten Finanzinvestoren im vergangenen Jahr insgesamt sechs Deals im Volumen von mindestens 1 Mrd. EUR durch – in 2015 hatte es fünf solcher Transaktionen gegeben.