VC-Kolumne von Nikolaus Röver, Acxit Capital Partners

Unister, Lokalisten, topdeals, paymill, cookies und jüngst Auctionata, bekannte Start-up-Namen, unterschiedlichste Geschäftsmodelle und alle mit der Gemeinsamkeit der Insolvenz. Wie jeder Gründer und Kapitalgeber weiß: Scheitern ist Teil des Venture Capital-Geschäftsmodells! Laut Statistik des U.S. Bureau of Labor Statistics und einer Erhebung der Kaufmann Entrepreneurship Stiftung aus dem Jahr 2012, überleben nur 60% der Venture Capital-finanzierten Start-ups die ersten drei Jahre, etwa 35% aller Start-ups bleiben immerhin zehn Jahre lang am Markt, und nur 11% wurden in diesem Zeitraum erfolgreich verkauft oder an die Börse gebracht.

Wer als Gründer und Geschäftsführer also gezwungen ist Insolvenz anzumelden, befindet sich im statistischen Normbereich und in guter Gesellschaft mit zahlreichen anderen Start-up-Unternehmern. Er sollte bloß nicht wegen Insolvenzverschleppung, Gläubigerbenachteiligung oder betrügerischem Bankrott ins Gefängnis kommen oder auf ewig von seinen Geschäftspartnern und Kapitalgebern zivilrechtlich verklagt werden. Um dies als ordentlicher GmbH-Geschäftsführer zu vermeiden, ist Insolvenz anzumelden, wenn Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Das heißt, zum Betrachtungsstichtag können nicht mindestens 90% der fälligen Verbindlichkeiten bezahlt werden.

Was ist jedoch, wenn der Gründer das gar nicht weiß? Start-ups werden häufig über Meilensteine oder neue Finanzierungsrunden durch Friends & Family oder Venture Capital-Gesellschaften finanziert. Zum Betrachtungszeitpunkt ist dann gar nicht klar, ob und wann das frische Geld eintrifft. In diesem Fall muss der ordentliche GmbH-Geschäftsführer die neue Finanzierung für überwiegend wahrscheinlich halten dürfen. In der Praxis ist diese sogenannte positive Fortführungsprognose gar nicht so einfach zu beurteilen, und der Teufel steckt wie immer im Detail. Wie bei allen erfolgskritischen Themen auch, im Zweifel lieber mal einen Fachmann fragen.

Und übrigens, was viele Gründer nicht wissen: Man kann eine strategische Insolvenz auch nutzen, um sich von Altlasten der Vergangenheit zu befreien und das Unternehmen für die Zukunft neu aufzustellen. Das neue deutsche Insolvenzrecht aus dem Jahr 2012, kurz ESUG genannt, ist mit der sogenannten Eigenverwaltung (Geschäftsführung bleibt im „Driver Seat“), dem Insolvenzplan und der Insolvenzgeldfinanzierung der Personalkosten für drei Monate von Vater Staat das sanierungsfreundlichste der Welt. Gewusst wie, richtig scheitern muss eben auch gelernt sein.

 

Nikolaus Röver ist seit 20 Jahren als Rechtsanwalt und M&A-Berater tätig. Er ist Managing Partner bei Acxit Capital Partners in München und verantwortet den Restrukturierungs-/Distressed M&A-Bereich bei Acxit.