Als der Mathematiker Alan Turing 1950 fragte „Können Maschinen denken?“, konnte er sicher nicht vorhersehen, dass diese Frage Jahrzehnte der Forschung und den Aufstieg eines völlig neuen Marktes auslösen würde. Im Jahr 2014 jedoch investierte Google 400 Mio. USD in das Start-up DeepMind, das sich auf die Programmierung von künstlicher Intelligenz (KI) spezialisiert hat. Obwohl künstliche Intelligenz immer noch die Aura einer Zukunftstechnologie umgibt, zeichnet sich ein neuer Trend ab, der die Interaktion zwischen Menschen und Maschinen verbessert.
Die digitale Transformation, die durch disruptive Technologien wie Cloud und Mobile Solutions, Social und Big Data Analytic-Technologien verursacht wird, ist noch jung. Die Finanzindustrie hat bereits das Potenzial erkannt, das sich durch die Anwendungen von KI ergeben kann. In einem Bericht von Ernst & Young aus dem Jahr 2016 wurden 5.000 Fintech-Start-ups identifiziert, die alle ein Stück Intelligenz in die Bankenwelt tragen, der es aktuell an Innovation mangelt. Bereiche, in denen KI besonders relevant ist, umfassen Kundenbetreuung, Handel, Post Trade-Operationen wie Transaktionsberichte, Steuer und Unternehmensrisikomanagement, um nur einige zu nennen.
Ergänzung, kein Ersatz
Die Diskussionen in den Medien über künstliche Intelligenz kreisen oft darum, dass Maschinen bald menschliche Arbeitsabläufe ersetzen werden. Künstliche Intelligenz zielt vielmehr darauf ab, den Menschen und sein Wissen zu ergänzen. Auf einen ähnlichen Trend verweist eine Studie, die 2017 von PwC veröffentlicht wurde: „KI wird den Menschen in einigen Bereichen wie persönliche Assistenten (…) schrittweise ersetzen. Aber die Herausforderungen werden bestehen bleiben, aufgrund von Voreingenommenheit, Privatsphäre, Vertrauen, Mangel an geschultem Personal und regulatorischen Bedenken. Augmented Intelligence, also die Unterstützung von Menschen durch Maschinen, könnte die kurzfristige Antwort sein.“ Zukünftige Entscheidungsprozesse im Bankwesen zum Beispiel könnten zu 34% durch Maschinenalgorithmen und zu 66% durch menschliches Urteilsvermögen bestimmt werden.
Einsatz von Natural Language Processing
Ein Teilgebiet der KI ist ein gutes Beispiel für Anwendungen von Augmented Intelligence – Natural Language Processing (NLP). NLP ist die Entwicklung von Systemen, die in der Lage sind, menschliche Sprache zu lesen und zu verstehen. Im Mittelpunkt dieser Technologie steht die Interpretation großer Mengen sogenannter unstrukturierter Daten (d.h. Daten wie PDF-Dateien oder Bilder). Als wissensintensive Branche bestehen zentrale Aufgaben in der Finanzindustrie aus dem Lesen und Verstehen großer Informationsmengen, die in der Tat nur teilweise strukturiert sind. NLP wird viele Prozesse einfacher, schneller und präziser machen. Start-ups wie MonkeyLearn nutzen bereits NLP, um Business Intelligence-Informationen zu automatisieren, und der führende japanische Vermögensverwalter Nomura Asset Management (NAM) versucht derweil zu verstehen, ob diese Technologie die Entscheidungsfindungsprozesse von Investoren im Portfoliomanagement verbessern kann. Anwaltskanzleien nutzen NLP und automatisierte Dokumentenanalysen im Rahmen von Due Diligence-Prozessen.
Fazit
Der Markt der virtuellen Datenräume ist daher aktuell in Bewegung und macht sich Technologie wie Natural Language Processing zunutze. Investmentprofis suchen nach Möglichkeiten, manuelle Prozesse zu reduzieren, um Schlagwörter und sogenannte Red Flags zu identifizieren, anstatt Papierdokumente physisch durchkämmen zu müssen. Der nächste Schritt für die Weiterentwicklung dieser Technologie wird neben der automatisierten Analyse der potenziellen Risiken und Chancen auch deren Bewertung sein. Mithilfe von Machine Learning-Technologie werden die künftigen Red Flag Reports unmittelbar im Datenraum erstellt und beinhalten eine erste Bewertung der potenziellen Risiken und Chancen innerhalb einer Transaktion.
Jan Hoffmeister ist Mitgründer und Chairman von Drooms. Das international tätige Unternehmen ist Wegbereiter für die Verbreitung und Etablierung von virtuellen Datenraumlösungen in Europa. Jan Hoffmeister war viele Jahre lang als Manager, vornehmlich bei Siemens, in den Bereichen Corporate Finance und M&A in Deutschland, der Schweiz und den USA tätig.